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Inhalt
Vorwort 1
"Von Schimpansen lernen, was es heißt, ein Mensch zu sein" 2
Das Verhalten des Trockennasenprimaten Mensch innerhalb der Gruppe 7
Rangordnung, Allianzen, "Vitamin B", Seilschaften, Netzwerke, mafiöse Strukturen 7
Wer wird Machthaber? 10
Allianzen 11
"Vitamin B", Seilschaften 12
Netzwerke, mafiöse Strukturen 12
Mord und Totschlag - die Last mit den Machthabern 13
Signale der Dominanz und der Unterwerfung 19
Beherrschte, Mitläufer, Opportunisten und Speichellecker 20
Kriegerische Konflikte und Allianzen zwischen Menschengruppen 22
Das Territorialverhalten des Menschen 22
Wie sind Alphas wirklich? 24
Warum und wie geraten sich die ranghöchsten Alphas der Erde in die Wolle? Was sind die Auslöser für Kriege? 24
Eine Grundfrage der Geschichtsphilosophie: Lassen sich Kriege aus der Menschheitsgeschichte verbannen? 29
Ausblick 32
Anmerkungen 33
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Vorwort
Jemand, welcher den Film "Findet Nemo" ansieht, wird angesichts der vegetarisch lebenden Hai-Gruppe Anchor (Hammerhai), Bruce (Weißer Hai) und Chum (Kurzflossen-Mako) zumindest schmunzeln, wenn nicht laut herauslachen. Warum? Dass diese Haie sich vegetarisch ernähren, ist so absurd, dass dies nur ein Witz sein kann. Ähnlich lustig wäre die Vorstellung, Katzen würden keine Mäuse mehr jagen oder Krokodile würden sich hinfort von Algen und anderen Wasserpflanzen ernähren.
Jede Tierart ist grundsätzlich in ihren Gen-Käfig eingesperrt, aus dem sie nicht heraus kann, und der Mensch, der zur Gruppe der Trockennasenprimaten zählt, bildet da keine Ausnahme. Das heißt, auch das Verhalten eines Menschen wird im Grundsatz von seinen genetischen Voraussetzungen bestimmt.
Um das menschliche Verhalten zu verstehen, ist es hilfreich, sich zunächst mit den Verhältnissen bei seinen nächsten Verwandten, den Schimpansen, zu beschäftigen.
"Von Schimpansen lernen, was es heißt, ein Mensch zu sein"[1]
Gibt man in die Google-Suchmaske (am 4.9.25 um 8.49 Uhr) folgende Wörter ein: "Dominanz Konkurrenz unter
Schimpansen", so liefert die KI diesen Text:
"Unter Schimpansen gibt es eine ausgeprägte Hierarchie, die durch Dominanzkämpfe und den Wettbewerb um Ressourcen wie Nahrung und Paarungspartner bestimmt wird. Dominante männliche Schimpansen haben Zugang zu diesen wichtigen Ressourcen, aber auch weniger dominante Männchen leiden unter psychosozialem Stress durch soziale Unsicherheit und Konkurrenz. Dominanz wird durch eine Kombination von aggressiven Demonstrationen und dem Aufbau von sozialen Bündnissen und Allianzen durchgesetzt und aufrechterhalten.
Dominanz und Hierarchie
Männliche Dominanz:
Im Gegensatz zu Bonobos, wo Frauen dominieren, ist bei Schimpansen ein Männchen-zentriertes System weit verbreitet. Männliche Schimpansen konkurrieren ständig um Status.
Sozialer Stress:
Die Unsicherheit im sozialen Gefüge, also der Konkurrenzdruck, ist eine Hauptursache für Stress unter Schimpansen, unabhängig von ihrem Rang.
Konkurrenz um Ressourcen
Nahrung:
Männliche Schimpansen konkurrieren um den Zugang zu Nahrung. Dominante Tiere haben hierbei einen Vorteil, was zu einem höheren Rang führt.
Paarungspartner:
Der Wettbewerb um Paarungsmöglichkeiten ist ein weiterer wichtiger Faktor, der zum Konkurrenzdruck beiträgt.
Verhaltensweisen zur Etablierung und Aufrechterhaltung der Dominanz
- Dominanzdemonstrationen: Schimpansen zeigen aufrechte Haltung, gesträubtes Fell und eine bösartig wirkende Mimik, um Untergebene einzuschüchtern.
- Allianzen: Sowohl Schimpansen als auch Mangaben versuchen aktiv, soziale Beziehungen und Bündnisse zu stören oder zu verhindern, wenn diese für sie nachteilig sein könnten. Dies kann sich durch das Stören der Fellpflege und die Unterbindung von Interaktionen zeigen.
- Aggressives Verhalten: Kämpfe zur Durchsetzung der Dominanz sind bei Schimpansen häufig."[2]
Unter der Internet-Adresse https://www.animal-ethics.org/antagonismus-in-
der-natur-innerartliche-kaempfe/ kann man (am 29.8.25) dazu noch Folgendes lesen:
"Unter Schimpansen kommt es häufig zu Gewalt zwischen verschiedenen Gruppen. Diese Konflikte wurden aufgrund ihrer Dauer und des hohen Ausmaßes an Planung und Koordination auch mit menschlichen Kriegen verglichen. Dabei geht es meistens um Territorium oder das Entführen zeugungsfähiger Weibchen. Jane Goodall war die erste Forscherin, die diesem Krieg beiwohnte. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen des 'Schimpansenkriegs von Gombe':
'Über mehrere Jahre hatte ich Schwierigkeiten, mit dieser neuen Erkenntnis zurechtzukommen. Wenn ich nachts aufwachte, kamen mir oft gegen meinen Willen schreckliche Bilder in den Sinn - Satan [einer der Affen], der mit seiner Hand Sniffs Kinn umschloss, um das Blut zu trinken, das aus einer großen Wunde in seinem Gesicht floss; der alte Rodolf, sonst so gutmütig, der sich aufrichtete, um einen vier Pfund schweren Stein auf Godis Körper zu schleudern, der mit dem Gesicht nach unten dalag; Jomeo, der einen Hautstreifen von Dés Oberschenkel riss; Figan, der auf den verwundeten, zitternden Körper von Goliath, einem seiner Kindheitshelden, losstürmte und ihn wieder und wieder schlug.'
[Goodall, J. (2010) Through a window: My thirty years with the chimpanzees of gombe, New York: Houghton Mifflin Harcourt, S. 127]
[...]
Sozialer Status
Bei sozialen Tieren ist der soziale Status sehr relevant, da ein höherer Rang besseren Zugang zu Fortpflanzungspartnern und Ressourcen wie Nahrung und Territorium zur Folge haben kann. Schimpansen wurden dabei beobachtet, wie sie Mitglieder ihrer eigenen Gruppe im Rahmen von Konflikten in Bezug auf den sozialen Status, Paarungsrechte oder politische Macht umbringen. In diesem Fall versucht Foudouku - ein früherer Anführer seiner Gruppe, bevor er seinen engsten Verbündeten verlor und vertrieben wurde - seiner damaligen Gruppe wiederbeizutreten, um sich zu paaren. Während manche der älteren Schimpansen Foudoukus Rückkehr in die Gruppe akzeptierten, war dies bei einigen jüngeren Männchen - denen es eventuell missfiel, mehr Konkurrenz um Fortpflanzungspartner zu haben - nicht der Fall. Diese vertrieben ihn mehrfach. Schließlich attackierte diese Subgruppe Foudouku und tötete ihn. Als seine Leiche gefunden wurde, war sie mit vielen schweren Verletzungen übersät, unter anderem einer schweren Bisswunde in seinem Fuß, einer tiefen Schnittwunde an seinem Rücken, einem aufgerissenen Anus und gebrochenen Rippen. Nach seinem Tod fuhr die Gruppe fort, Foudoukus Leiche mit Steinen und Stöcken zu attackieren, und aß sogar Teile seines Fleisches.
[...]
Unter Schimpansen wurde mehrfach beobachtet, dass Infantizid im Rahmen von Kannibalismus auftrat. Hierbei wurden Männchen beobachtet, die sowohl Nachkommen innerhalb ihrer eigenen Gruppe [Nishida, T. & Kawanaka, K. (1985) "Within-group cannibalism by adult male chimpanzees", Primates, 26, pp. 274-284. Kawanaka, K. (1981) "Infanticide and cannibalism in chimpanzees, with special reference to the newly observed case in the Mahale Mountains", African Study Monographs, 1, pp. 69-99 [aufgerufen am 11. Oktober 2019]] als auch Nachkommen, die aus Rivalengruppen entführt wurden, getötet und gegessen haben. [Watts, D. P. & Mitani, J. C. (2000) "Infanticide and cannibalism by male chimpanzees at Ngogo, Kibale National Park, Uganda", Primates, 41, pp. 357-365. Goodall, J. (1977) "Infant killing and cannibalism in free-living chimpanzees", Folia Primatologica, 28, S. 259-289] Auf dem untenstehenden Video ist zu sehen, wie eine Gruppe von Schimpansen das Territorium einer Rivalengruppe überfällt. Die angreifenden Tiere fangen und töten einen jungen Schimpansen, dann teilen sie sich dessen Leiche.
[...]
Innerartliche Konflikte entstehen überall dort, wo die Interessen von Artgenossen konfligieren, wie dies in Bezug auf Territorium, Nahrung, Zugang zu Fortpflanzungspartnern, sozialen Status sowie elterliche Fürsorge der Fall sein kann. Ob diese Konflikte durch offene Aggression ausgetragen werden oder nicht - das Ergebnis ist dasselbe: Viele Tiere leiden unter Gewalt oder Deprivation. Tiere, die nicht in der Lage sind, ein Revier zu unterhalten, werden nicht unbedingt direkt von Artgenossen getötet, aber ohne ein Revier werden sie Schwierigkeiten haben, genügend Nahrung zu finden. Auch Männchen, die den Konkurrenzkampf um Fortpflanzungspartner verlieren, werden nicht unbedingt direkt von ihren stärkeren Artgenossen getötet, aber werden sich nicht fortpflanzen können sowie unter sexueller Frustration leiden. Nichtmenschliche Tiere, die in der Wildnis leben, sind ab dem Moment ihrer Geburt einer Situation ausgeliefert, die ihnen das Überleben stark erschwert. Einige der großen Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, gehen von Tieren ihrer eigenen Spezies aus. Bei manchen Spezies können sogar die Eltern und Geschwister eine Bedrohung darstellen."
Die Internet-Adresse https://nachrichten.idw-online.de/2020/05/27/schimpan
sen-weibchen-tragen-zum-schutz-des-territoriums-bei liefert (am 29.8.25) zusätzlich noch diese Informationen:
"Forschungsergebnisse
Schimpansen-Weibchen tragen zum Schutz des Territoriums bei
Beim Menschen scheinen Kriegsführung und Territorialverhalten den Männern vorbehalten zu sein. Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig konnte nun belegen, dass das bei Schimpansen nur bedingt der Fall ist: Weibchen und andere Gruppenmitglieder spielen im Wettbewerb mit anderen Gruppen eine wichtigere Rolle als bisher angenommen. Erwachsene Männchen werden vor allem bei der Gebietsvergrößerung aktiv; zur Gebietserhaltung und zu Wettbewerbsvorteilen anderen Gruppen gegenüber tragen alle Gruppenmitglieder bei. Das ergaben ausgiebige Untersuchungen mehrerer benachbarter Schimpansengruppen im Taï Nationalpark (Elfenbeinküste).
Obwohl größere Gruppen kleineren Nachbargruppen gegenüber reale Wettbewerbsvorteile haben, ging man bei vielen sozialen Tierarten - einschließlich des Menschen - bisher davon aus, dass erwachsene Männchen bei der Territorialität eine maßgebliche Rolle spielen. Diese möglicherweise durch eine anthropozentrische Perspektive verzerrte Wahrnehmung, stellen Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig nun im Rahmen einer neuen Studie differenzierter dar.
Bei Schimpansen, die zu unseren nächsten lebenden Verwandten und neben dem Menschen zu einer der territorialsten Primatenarten zählen, beteiligen sich die Männchen aktiv an Konflikten zwischen Gruppen und verhalten sich territorial, während die Weibchen sich aus diesen 'Männerangelegenheiten' größtenteils heraushalten. Dieses Muster scheint auf die meisten Schimpansenpopulationen in Ostafrika zuzutreffen. Frühere Befunde bei Schimpansen aus dem Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste in Westafrika ließen jedoch bereits vermuten, dass Weibchen bei der Territorialität eine wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Doch bisher blieb unklar, wie es um die Verteidigung des Territoriums vor dem Hintergrund variabler Sozialsysteme bei Schimpansen bestellt war.
'Um die Mechanismen zu entschlüsseln, die Gruppenkonkurrenz und -dominanz bei sozialen Arten steuern, benötigen wir Langzeitdaten von mehreren Gruppen innerhalb einer Population', sagt Sylvain Lemoine, Erstautor einer neuen Studie, die diese Mechanismen bei westafrikanischen Schimpansen untersucht. Daten zu vier benachbarten Schimpansengemeinschaften westafrikanischer Schimpansen, die die Wissenschaftler im Rahmen des Taï Chimpanzee Project (TCP) in mehr als 20 Jahren zusammengetragen haben, und Informationen über Verbreitungsmuster und Begegnungen zwischen den Gruppen, ergaben: Die Gruppengröße erklärt Unterschiede hinsichtlich Kosten und Nutzen im Wettstreit zwischen den Gruppen besser als die Anzahl erwachsener Männchen in einer bestimmten Gruppe.
Vorteile für größere Gruppen
Obwohl die Zunahme der Anzahl erwachsener Männchen in einer Gruppe meist eine Gebietsvergrößerung nach sich zieht, gewinnen größere Gruppen - darunter Weibchen, jugendliche Tiere und Jungtiere - Vorteile gegenüber kleineren Gemeinschaften. Dies geschieht, indem sie den Zugang zu größeren Gebieten aufrechterhalten und weniger unter dem Nachbarschaftsdruck leiden. Größere und sicherere Futtergebiete könnten dann einzelnen Tieren Vorteile bei der Fortpflanzung und Aufzucht des Nachwuchses verschaffen.
'Von den Taï-Schimpansen wissen wir, dass Männchen und Weibchen sehr gesellig miteinander umgehen und es starke soziale Bindungen und eine ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen den Tieren gibt', sagt Roman Wittig, einer der beiden Senior-Autoren der Studie und Direktor des TCP. In dieser Population, die als 'bisexuell gebunden' qualifiziert wird, bewohnen Männchen und Weibchen derselben Gemeinschaft ein ähnliches Territorium, anstatt getrennt voneinander ihren jeweils eigenen, miteinander überlappenden Lebensraum zu nutzen. Beide Geschlechter beteiligen sich in Form von 'Grenzpatrouillen' am Schutz ihres Heimatgebiets und tragen Territorialkonflikte mit feindlichen Nachbarn aus. Gruppierungs- und Sozialisierungsmuster können also möglicherweise erklären, warum die Gruppengröße - und nicht nur die Anzahl der Männchen - für die Konkurrenzfähigkeit dieser Schimpansenpopulation entscheidend ist.
Weniger Tötungen
'Erwachsene Männchen spielen vor allem bei der Vergrößerung des Territoriums eine Rolle. Die Bewahrung des Territoriums, die Dominanz über und das Zurückdrängen benachbarter Gruppen hingegen, erfordern auch den Einsatz von Weibchen und anderen Gruppenmitgliedern', fügt Sylvain Lemoine hinzu. Diese Befunde können teilweise erklären, warum es in dieser Population im Vergleich zu ostafrikanischen Schimpansen wesentlich seltener zu Tötungen von Schimpansen aus anderen Gruppen kommt: Wenn zwei gegnerische Gruppen miteinander im Wettstreit stehen und alle Gruppenmitglieder an der Auseinandersetzung beteiligt sind, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ungleichgewicht der Machtverhältnisse entsteht. Damit verringern sich auch die Möglichkeiten, einen Nachbarn zu töten, ohne dabei selbst ein großes Risiko einzugehen.
Catherine Crockford, die andere Senior-Autorin der Studie, ergänzt: 'Wir sammeln gerade überzeugende Belege dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen nicht verwandten Tieren sowie zwischen Männchen und Weibchen - aufgrund des Wettstreits zwischen benachbarten Gruppen - möglicherweise unter Selektion stand. Die Ergebnisse unserer Studie haben für unser Verständnis der Evolution von Kooperation bei sozialen Arten und insbesondere beim Menschen eine große Bedeutung. Kontinuierliche und langfristige Forschungs- und Arterhaltungsbemühungen sind notwendig, wenn wir das Wechselspiel zwischen Konkurrenz und Kooperation bei dieser für die menschliche Evolution so symbolträchtigen Art verstehen wollen und wie dieses mit der Evolution unserer eigenen Art in Verbindung steht.'"
Und schließlich finden wir (am 29.8.25) unter der Internet-Adresse https://www.stern.de/panorama/wissen/natur/verhaltens
forschung-schimpansen-vergroessern-ihr-revier-
mit-gewalt-3279386.html noch folgende Forschungsergebnisse:
"Verhaltensforschung
Schimpansen vergrößern ihr Revier mit Gewalt
22. Juni 2010 10:22 Uhr
Schimpansen rotten sich zu schlagkräftigen Gangs zusammen und greifen benachbarte Gruppen an. Dabei haben die Primaten ein Ziel, wie Wissenschaftler herausgefunden haben: Sie wollen ihr Territorium vergrößern. Um das zu erreichen, töten sie sogar die Wehrlosesten.
Für ein größeres Stammesterritorium töten Schimpansen ihre Artgenossen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Universität Michigan, die zehn Jahre lang in Uganda untersuchten, warum sich die Menschenaffen gegenseitig umbringen. 'Schimpansen töten einander. Sie töten ihre Nachbarn. Bisher wussten wir nur noch nicht, warum', erläuterte John Mitani in einem am Dienstag in der Zeitschrift 'Current Biology' veröffentlichten Beitrag.
Forscher vermuteten schon länger, dass gewaltbereite Schimpansen Mitglieder anderer Gruppen ermorden, um ihren Lebensraum zu erweitern. Zwar hatten früher schon andere Wissenschaftler von Gewaltexzessen zwischen konkurrierenden Gruppen berichtet, darunter die berühmte Primatenforscherin Jane Goodall. Aber alle hatten den Schimpansen Futter gegeben, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Dies könne das Verhalten der Tiere beeinflusst haben, bemängelten Kritiker bislang. Dieser Einwand, so glaubt Kevin Langergraber vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, sei mit der neuen Studie vom Tisch. 'Die Ngogo-Schimpansen wurden nicht von Menschen gefüttert', sagt der Primatenforscher. 'Das dürfte die Kritik verstummen lassen, solches Verhalten sei unnatürlich.'
Sogar Säuglinge getötet
Mitani und sein Kollege David Watts von der Yale Universität beobachten über zehn Jahre eine Schimpansengruppe im Kibale-Nationalpark in Uganda. Innerhalb von zehn Jahren hatte die 150 Tiere starke Gruppe 21 Schimpansen anderer Familien getötet, darunter 13 aus einer Gruppe in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Für die Überfälle organisieren sich die Schimpansen zu einer schlagkräftigen Truppe, die zu Patrouillen in das Gebiet der benachbarten Gruppe eindringt. In einem typischen Fall beobachteten die Forscher, wie sich 27 Männchen und ein Weibchen für einen Streifzug in feindliches Gebiet zu einer Gruppe verbündeten. Nach zwei Stunden trafen die Schimpansen auf Weibchen der benachbarten Gemeinschaft. Sofort nach der Entdeckung attackierten die Männchen der Patrouille die weiblichen Affen, von denen zwei Säuglinge mit sich trugen. Die Angreifer töteten schnell eines der Kinder und kämpften dann 30 Minuten lang, um das zweite Jungtier von seiner Mutter zu trennen. Weil sie dabei erfolglos waren, nahmen sie Mutter und Kind gefangen und rasteten für eine Stunde, bis sie erneut zum Angriff übergingen. Die Forscher sind der Ansicht, dass sich die Angriffe nach kurzer Zeit auf die Säuglinge konzentrieren, da sie ein leichteres Ziel als ausgewachsene Tiere darstellen. Bei den meisten der dokumentierten Attacken im Kibale-Nationalpark wurden auch Affensäuglinge getötet.
Feindliche Übernahme
Im Sommer 2009 begannen die Primaten schließlich damit, das von der Nachbarhorde verlassene Gebiet zu nutzen. Sie durchstreifen die eroberte Region und verhielten sich dabei wie im eigenen Territorium: Sie pflegten ihre sozialen Kontakte und fraßen sich an ihren Lieblingsfrüchten und -nüssen satt. 'Wir gehen daher von einem direkten Zusammenhang zwischen der tödlichen Gruppengewalt und der Erweiterung des Territoriums aus', sagte Mitani.
Auch wenn solche Gewaltexzesse an menschliche Aggressionen erinnern, bezweifelt Mitani, dass seine Beobachtung als Parallele zu menschlichen Kriegszügen taugt. 'Krieg im menschlichen Sinne findet aus vielen verschiedenen Gründen statt', sagt Mitani. 'Ich glaube nicht, dass es dabei um das Gleiche geht.' Stattdessen zeige das Affenverhalten, was den Homo sapiens so einzigartig mache: Im Gegensatz zu anderen Spezies sei der Mensch gewöhnlich extrem kooperativ.
Max-Planck-Forscher Langergraber sieht dennoch Parallelen zwischen dem Verhalten des Menschen und dem der Schimpansen. 'Bei diesen Aggressionen zwischen Gruppen ging es im Grunde genommen um Ressourcen', sagt er. 'Auch wenn Menschen aus vielen anderen und oft komplexeren Gründen streiten, kann man dies als Bausteine menschlichen Verhaltens betrachten.'"
Das Verhalten des Trockennasenprimaten Mensch innerhalb der Gruppe
In meinem Buch "Der Einzelne und die Gruppe. Wie der Mensch tickt" (Berlin: Martin, Wolfgang, 2021) habe ich mich bereits eingehend mit dem menschlichen Verhalten beschäftigt, sodass es nahe liegt, die relevanten Passagen daraus hier zu übernehmen. Dabei soll es zunächst um das Verhalten innerhalb einer (Menschen-) Gruppe gehen.
Rangordnung, Allianzen, "Vitamin B", Seilschaften, Netzwerke, mafiöse Strukturen
Die Autorin eines Buches über "Das Verhalten des Menschen", Gisela Maler-Sieber, stellt in diesem Buch kategorisch fest: "Bei jeder sich geschlechtlich fortpflanzenden Spezies ist Gleichartigkeit der Individuen von Natur aus unmöglich."[3] Dies bestätigt Albert Danzer[4]: "Bei Tieren, die in Gruppen leben, bildet sich innerhalb der Gruppe eine durch Kämpfe ausgefochtene, nach Rechten und Pflichten geordnete, hierarchische Reihenfolge von Tieren, die sogenannte Rangordnung aus." Und auch Eibl-Eibesfeldt stellt fest: "Rangordnungen entwickeln sich bei allen in Gruppen lebenden Primaten [...]. [...] Führt man Menschen zu Gruppen zusammen, dann bilden sich rasch Rangordnungen."[5]
Was ist die Ursache für dieses Hauen und Stechen der Männchen um die Macht in der Gruppe? Forscherinnen und Forschern, die das Verhalten von Schimpansengruppen beobachtet haben, fällt darauf die Antwort nicht schwer: Nur der "Boss" der Schimpansengruppe hat das Recht, sich mit den Weibchen der Gruppe zu paaren. Insbesondere der pubertierende männliche Nachwuchs ist draußen vor, was angesichts der in ihrem Blut zirkulierenden Sexualhormone oft zu extremen Frustrationserscheinungen führt. Sind die "Halbstarken" dann endlich ausgewachsen und fühlen sich im Vollbesitz ihrer männlichen Kraft, dann gehen alle Überlegungen dahin, wie man das Alpha-Männchen vom Thron stürzen könnte, um endlich, endlich an die "Weiber" heranzukommen.
Bei den Menschen ist die Ursache des männlichen Karriere-Gestrampels letztlich keine andere, auch wenn es in der wesentlich komplizierteren Menschenwelt in der Regel nicht so offensichtlich ist. Prahlte nicht der amerikanische Präsident D. Trump in seiner ersten Amtszeit damit, dass er jede Frau "haben" könne?[6] Und "entpuppt sich der verbale Schlagabtausch zwischen dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un und dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump Ende 2017 [nicht] als Rivalität zweier Männchen im Geschlechterkampf? Der Streit, wer den größeren (Atom-) Knopf auf seinem Schreibtisch habe, [war] nichts anderes gewesen als ein Phallus-Vergleich zweier Männchen: Wer hat das größere Glied, wer hat mehr Potenz? Oder ein Potentat glaubt gegenüber seiner Frau seine Männlichkeit beweisen zu müssen, indem er einer 'feindlichen' Macht eine militärische Lektion erteilt. Putin beansprucht gegenüber den anderen Staatsführern der GUS-Staaten den Rang des Alpha-Männchens. Männchen, die das nicht akzeptieren und sich ihm nicht unterordnen, werden mit Krieg überzogen wie in der Ukraine bzw. wie in eine Schimpansen-Horde."[7] Die Herrschaft über die "holde Weiblichkeit" galt früher beim Adel als selbstverständliches Privileg ihres Standes - nicht nur, dass vielen Adligen jede bürgerliche Frau als Freiwild galt (man lese nur Lessings Drama "Emilia Galotti"), sondern die "Herren" hatten auch das Recht, ihren Untertanen das Liebesleben bei Strafe zu verbieten. "In der preußischen Armee bestand [beispielsweise] ein Heiratsverbot für die unteren Dienstränge und selbst Offiziere mussten ihren Kommandanten um Erlaubnis fragen, ehe sie heiraten durften."[8]
Nun ist es natürlich nicht generell so, dass Männer deswegen Karriere machen wollen, weil sie dann beim Sex mehr Auswahl hätten; aber als Erbe unserer tierischen Vergangenheit spielt dieses Motiv - zumindest im Unterbewusstsein - immer eine Rolle, auch wenn sich der Machtbeflissene dessen nicht bewusst ist.
Das nach dem Sexuellen zweitstärkste Motiv für den Kampf um die Macht, das mit dem ersten eng verflochten ist, ist das Ringen um Ansehen, Ruhm, Ehre, Geltung, ja, nach Unsterblichkeit (im Gedächtnis nachfolgender Generationen). Schon Kindergartenkinder "verstehen es, die Aufmerksamkeit auf verschiedene Weise auf sich zu lenken. Verbale Selbstdarstellung spielt dabei eine hervorragende Rolle, und zwar bei Jungen und Mädchen in gleicher Weise. [...] Bei der verbalen Selbstdarstellung werden imperative ebenso wie freundliche Äußerungen gemacht. Selbstdarstellung zielt nicht nur auf Dominanz ab. Man gibt sich auch liebenswert-gewinnend. [...] Ranghohe Kinder stellen sich nach den Ferien sehr aktiv dar. Offenbar bedarf es nach längerer Trennung neuerlicher Selbstdarstellung, um den Rang von Neuem zu bestätigen ([...]).
Viele der für die Kindergruppen typischen Verhaltensmuster Ranghoher und Rangniedriger, einschließlich der Strategien der Selbstdarstellung, teilen wir mit einigen nichtmenschlichen Primaten."[9]
"Das Streben nach Ansehen und Dominanz wird beim Menschen durch einen hormonalen Reflex bei Erfolg in positiver Rückkopplung bekräftigt. [...] Bei Tennisspielern, die das Match überzeugend gewannen, stieg der Plasmatestosteronspiegel in der Folge deutlich an [...]. Sie befanden sich zugleich in gehobener Stimmung. Sieger, die mit ihren Leistungen unzufrieden waren, zeigten dagegen keinen Anstieg des Testosteronspiegels. Bei Medizinstudenten war ein bis zwei Tage nach der Promotion ein Anstieg des Plasmatestosteronspiegels nachweisbar und sie erfreuten sich zugleich bester Laune. Bei Schachspielern verhält es sich ähnlich. Gewinnen sie, steigt ihr Testosteronspiegel, verlieren sie, sinkt er ab [...].
R. C. Savin-Williams (1979, 1980) führt als Vorteile von Dominanzpositionen an, dass die Ranghohen Vortritt an Plätzen haben. Sie nehmen die begehrten Plätze am Tisch ein. In einem Feldlager etwa besitzen sie die besten Schlafplätze am Feuer. Der am meisten geschätzte Vorteil ist jedoch das Gefühl, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Das hebt offensichtlich die Selbsteinschätzung. 'Dominant zu sein, scheint seine eigene Belohnung in sich zu tragen, in hohem Maße befriedigend zu sein und darum angestrebt zu werden', schreiben bereits S. L. Washburn und D. A. Hamburg (1968: S. 473)."[10]
"Die Disposition des Menschen, Rangordnungen auszubilden, basiert auf Primatenerbe. Das Kriterium 'Ansehen' drückt die bereits bei nichtmenschlichen Primaten feststellbare Tatsache aus, dass Ranghohe im Zentrum der Aufmerksamkeit der Gruppe stehen [wollen], d. h. von den meisten Anwesenden angesehen werden [wollen]."[11]
Eitelkeit und Selbstverliebtheit sind also häufig Attribute von Mächtigen. Diese versehen sich mit Statussymbolen, die ihre Außergewöhnlichkeit und Einmaligkeit nach außen demonstrieren sollen. "Das Bedürfnis, Ansehen zu gewinnen, ist beim Menschen sehr stark. Menschen bauen sich notfalls sogar Ersatzpyramiden, um auf deren Spitze zu thronen (D. Morris 1968). Man kann auf verschiedene Weise zur Spitze gelangen: als König der Kaninchenzüchter, als Briefmarken- oder Bierfilzsammler. Ja, es befriedigt bereits, wenn man Ranghohe in Kleidung und Verhalten nachahmen kann. Was Prinzessinnen anziehen, wird schnell beim Volk Mode. Einstige Privilegien der Herrschenden, wie Jagen und Reiten, wurden vom wohlhabenden Bürgertum in 'Rangmimikry' übernommen. Und umgekehrt werden von gewissen Geldeliten immer neue Statussymbole entwickelt, um sich von jenen, die sie nachahmen, dann doch abzuheben. Sie haben ihre eigenen Juweliere und Modedesigner, die ihnen durch gewaltige Überpreise garantieren, dass nur sie und wirklich nur sie diese Uhr oder jenes Kleid bekommen. Die Statussymbole der britischen Aristokratie werden sofort aufgegeben, wenn Nichtadlige sie aufgreifen (N. Mitford 1956). [...] Zu den Statussymbolen gehören in unserer Kultur Schmuck, Kleidung, Büroausstattung, Automobile und vieles andere mehr. [...] Gut brauchen die Dinge nicht zu sein, sie müssen nur teuer genug sein, damit nicht jeder sie erwerben kann. Es ist merkwürdig, dass selbst relativ intelligente Menschen sich diesem Zwang nicht immer entziehen können. Aber hier regiert offensichtlich nicht nur der Cortex."[12]
Ein weiteres Merkmal eitler Machthaber - und Ausdruck ihrer Selbstverliebtheit - ist, dass sie sich leidenschaftlich gern reden hören. Natürlich muss dabei ihre Umgebung ehrfürchtig und hingebungsvoll zuhören und damit dem Redenden signalisieren, wie wichtig das ist, was er sagt - auch wenn es die größten Plattitüden sind.
Ein Motiv von machtgeilen Männern, sich nach oben zu boxen, können unverarbeitete ödipale Komplexe aus ihrer Kindheit sein; der pathologische Zwang, es dem Vater doch noch zu zeigen - selbst wenn er bereits tot ist -, kann ein starker Antrieb für den Weg nach oben sein.
Für viele Karrieristen sind materielle Vorteile das Motiv für ihren Kampf nach oben; diese Sorte finden wir gehäuft im Bereich der Politik. Das Hauen und Stechen der Kandidaten in den Parteien um die vorderen Listenplätze bei Landtags- oder Bundestagswahlen ist diesem Motiv geschuldet; es ist eine schöne Villa am Sonnenhang, die lukrativen Diäten, diverse Zuverdienste, die bislang mit einem Mandat verbunden waren, eine Sekretärin, Beziehungen in die Wirtschaft hinein, die sich nach der Mandatszeit für den eigenen Vorteil nutzen lassen, und generell eine Versorgungsmentalität. So, wie der frühere Chirurg Julius Hackethal in einer Talk-Runde einen Professor der Medizin kritisierte (sinngemäß: Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass heute noch einer Medizin studiert, weil er den Menschen helfen will?!), so könnte man auch über die bundesdeutschen Abgeordneten sagen: "Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass heute einer Abgeordneter werden will, weil er sich um die Sorgen und Nöte seiner Mitbürger kümmern möchte?!"
Und weil das so ist, finden wir in den etablierten Parteien unseres Landes ganz überwiegend eigensüchtiges Mittelmaß, wo doch nach dem Willen der Väter und Mütter unseres Grundgesetzes die Parteien dafür sorgen sollten, "dass für die Besetzung der höchsten und wichtigsten Staatsämter qualifiziertes Personal zur Verfügung steht"[13].
Schließlich benennt Steffen M. Diebold in einem ganz ausgezeichneten Internet-Artikel[14] noch ein ganz starkes Motiv für den Kampf um die Macht und den Machterhalt: "Was ihm [dem Menschen] aber die größte Verunsicherung bereitet, ist die Erfahrung, dass der Mitmensch, der eigene Bruder, jederzeit und unvermittelt die Rolle Kains spielen kann. 'Homo homini lupus' [Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf]: Die bloße Koexistenz des anderen bedeutet eine ständige mögliche Gefahr. Dieses Kain-Syndrom lässt den Menschen nicht nur vorsichtig und misstrauisch werden. Es ist die eigentliche Ursache des Strebens nach Machtzuwachs für sich selbst und die Seinen ('Arterhaltung', Vererbung der eigenen Gene). Denn Zuwachs an Macht bedeutet auch einen Zuwachs an Möglichkeiten, sich gegen Bedrohungen der eigenen Existenz zur Wehr zu setzen. Das unaufhörliche Streben nach Sicherheit ist letztlich die Ursache des Machtstrebens und der Beherrschung anderer. Kontrolle über seine Umgebung beruhigt das Individuum und kommt seinem Sicherheitsbedürfnis entgegen. Dieses Denken pflanzt sich vom Individuum über seine nächsten Angehörigen fort zur Gruppe, bis zum Staat oder der Nation."
Wer wird Machthaber?
Ist es der riesenhafte, muskulöse, durchtrainierte Kleiderschrank von einem Mann mit einer unglaublichen Oberweite und schmalen Hüften - der Traum aller Frauen? Nicht zwingend. Zu einem geborenen "Führer" gehören offenbar noch andere Eigenschaften, um ihn zu einem erfolgreichen Aufsteiger zu machen. Ein Gorilla ohne Hirn wird beim Gerangel um die Macht trotz seiner Traumfigur kaum Chancen haben.
Eibl-Eibesfeldt zitiert einen Fachkollegen, wenn er schreibt[15]: "Die hinreißende - charismatische - Persönlichkeit ist nach D. Goetze (1977) durch fünf Merkmale gekennzeichnet.
- Das Mirum: Bezeichnet das Besondere, Absonderliche, Fremdartige und Verblüffende. Das Unbegreifliche, Wunderbare wird in diesem Merkmal angesprochen. Man schreibt dem Menschen gewissermaßen übermächtige geistige oder sonstige Kräfte zu.
- Das Tremendum: Es bezieht sich auf das Merkmal des Schrecklichen, Grauenvollen, Schaurigen und Unheimlichen. Es ist bemerkenswert, dass es in der Rangliste der Merkmale gleich an zweiter Stelle folgt. Schon der Ausdruck 'Ehrfurcht' belegt, dass wir dazu neigen, Achtung auch mit Angst zu verbinden. Herrscher, die Schrecken verbreiten, tragen oft den Beinamen 'der Große'. Terror ist nicht nur abstoßend, sondern auch unattraktiv, schreibt Goetze, und er fügt hinzu, sich quasi davon absetzend: 'selbstverständlich nur für die Verführbaren'. Aber verführbar sind wir alle, wie die Faszination der Tragödie lehrt.
- Das Fascinans: Bei ihm wird wohl auch eine erotische Komponente angesprochen, das Bezaubernde etwa der Stimme, das Liebenswürdige, der 'Charme', das einschmeichelnde Wesen.
- Die Majestas: Die Größe im übertragenen Sinne beschreibt wohl die Tatsache, dass die Persönlichkeit im Brennpunkt der Aufmerksamkeit steht.
- Das Energicum: Kraftvolle Lebendigkeit - es spiegelt bereits das Imponiergehabe vieler Tiere wider. Das Werben der meisten Wirbeltiermännchen ist durch Kraftdemonstration gekennzeichnet. Im übertragenen Sinne spielt beim Menschen das Mitreißend-Leidenschaftliche der Rede als Ausdruck des kraftvollen Willens eine entscheidende Rolle."
Maler-Sieber bemerkt zu diesem Aspekt[16]: "Ausschlaggebend für den Rang, den einer in einer Gruppe einnimmt, sind meist nicht extreme Begabungen - körperliche Stärke, Sportlichkeit, intellektuelle oder künstlerische Begabung, Aggressivität oder Verhandlungsgeschick -, sondern die Summe verschiedener Qualitäten, die eine möglichst breite Identifikationsbasis [für die Geführten] ergeben."
Allianzen
Bei einer Schimpansenhorde schafft es ein einzelnes Möchtegern-Alpha-Männchen nur im Ausnahmefall, einen amtierenden Anführer von der Spitzenposition zu verdrängen (z. B. bei Überalterung oder plötzlicher Erkrankung des Alpha-Männchens). Häufig ist der "Aufrührer" gezwungen, für den Kampf um die Macht Allianzen mit anderen starken Männchen der Horde zu schmieden.
Dieses Verhalten lässt sich bei den Menschen bereits im Kindergartenalter beobachten: Kinder (im Kindergarten), die Ansehen genießen, "greifen bei Streit schlichtend ein und treten dabei bevorzugt als Beschützer des Schwächeren auf. Sie unterstützen also bevorzugt Verlierer. Während der Zeit allerdings, in der zwei Ranghohe um die Spitzenposition wetteifern, stehen die Emporstrebenden bei Konflikten anderen Ranghohen bei. Sie unterstützen in diesem Falle den Gewinner, anstatt wie sonst den Verlierer. Mit dieser Strategie werben sie um kräftige Freunde. Haben sie so ihre Rangposition gefestigt, dann werden sie wieder zu 'Beschützern' (K. Grammer 1982)*. [In der Fußnote heißt es:] *Es ist bemerkenswert, dass Schimpansen die gleiche Strategie benutzen. Als Aufsteiger helfen sie opportunistisch anderen Starken. Haben sie eine hohe Position erreicht, stehen sie den Schwachen bei (F. DeWaal 1978)."[17]
Das Dilemma, in das der stets um seinen Machterhalt besorgte Machthaber gerät, wenn er um der Macht willen Allianzen schmieden muss, beschreibt Diebold (s. o.) so: "Um die angestrebte Sicherheit jedoch zu gewährleisten, ist der Einzelne aber meist auf die Mitarbeit anderer, zumindest aber auf deren gewaltlose Loyalität angewiesen. Das beginnt bei der Beschaffung lebensnotwendiger Güter des Alltags, die er heutzutage nicht alle selbst herstellen kann. Er ist gezwungen, im täglichen Leben einer Vielzahl von Beratern (z. B. in Rechts,- Steuer,- Gesundheits-, Versicherungs- und vielen anderen Fragen) und technischen Sachkennern zu vertrauen, um sich im modernen Lebensdschungel zurechtzufinden. Damit aber steckt er in einem Dilemma, einer Interessenkollision in seiner Person selbst, denn die Existenzsicherung ist zum Teil auch abhängig von denen, vor denen er sich schützen will. Der Selbsterhaltungstrieb fordert eine Balance zwischen Vertrauen und Misstrauen, zwischen Kooperation und Konfrontation. Macht-Mittel, Ressourcen, die über die bloße Grundgüterversorgung hinausgehen (z. B. Ersparnisse, nützliche Kontakte, Zweckfreundschaften), werden zur Zukunftssicherung der eigenen Person oder der eigenen Sippe, Familie oder Unternehmensgruppe eingesetzt. Zukunftssicherung aber ist Schutz vor dem potentiellen Gegner, dem Konkurrenten, dem Mitbewerber. Luxus und Dekadenz kann sich nur leisten, wer trotz Verschwendung noch über diesen Schutz verfügt. Mitleid und Altruismus gefährden dieses Gefüge. Sie sind bei 'Macht-Menschen' zu nachrangigen kulturellen Errungenschaften degradiert."[18]
"Vitamin B", Seilschaften
"Vitamin B" heißt, ich habe gute, vielleicht sogar freundschaftliche "B"(eziehungen) zu mächtigen Leuten, also Menschen, die über so viel Macht verfügen, dass sie zur Beförderung meiner Karriere etwas beitragen können. Tun sie das, können sie wiederum meiner ungeteilten Loyalität sicher sein und ich werde alles tun, was ich kann, damit ihre Macht erhalten bleibt.
Der Begriff "Seilschaft" kommt aus dem Bereich des Bergsteigens. Nehmen wir an, wir unternehmen zu zweit eine Bergtour. Vor uns liegt eine recht steile Eisrinne mit dünner Schneeauflage. Unterhalb der Eisrinne, dort, wo wir stehen, fällt die Felswand etwa zweihundert Meter tief senkrecht ab. Wenn wir "einfach so" diese Eisrinne emporsteigen würden, bestände die große Gefahr, dass wir in dieser Eisrinne ausrutschten, und dann wäre es um uns geschehen. Was machen wir also? Wir verbinden uns mit einem festen Seil. Ich sorge für einen sicheren, festen Stand. Mein Gefährte steigt nun die Eisrinne empor, so weit die Seillänge dies zulässt. Dort sorgt nun er wiederum für einen festen Stand und ich klettere ihm nach. Wenn also einer von uns beiden beim Klettern ausrutschte, könnte ihn der andere, der einen festen Stand hat, durch das Seil vor dem Absturz bewahren. Das heißt also, man hilft sich gegenseitig emporzukommen.
Diese Technik wird nun auch im sozialen Bereich angewandt. Wir wollen uns dies anhand eines Beispiels verdeutlichen, wobei Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen rein zufällig wären.
Zwei junge Lehrer sind im Westberlin der siebziger/achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Mitglied in der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlins" (SEW), des Ablegers der SED der DDR. Sie finden nicht nur das Regime im Osten gut, sondern wollen dafür arbeiten, dass das Westberliner Schulwesen im Stil des DDR-Schulwesens umgestaltet wird. Beide sind in der Gewerkschaft GEW, der eine ist Vorsitzender des Personalrats und unterrichtet an einer Schule, welcher ein älterer Direktor vorsteht, dessen Pensionierung absehbar ist. Karrieremäßig haben beide bereits die Voraussetzungen erreicht, sowohl Direktor als auch Schulrat werden zu können. Als nun eine Schulratsstelle zur Besetzung ausgeschrieben wird, bewirbt sich der eine um diese Stelle; bei dieser Besetzung hat der Personalrat ein Mitspracherecht; da sein Freund und SEW-Mitstreiter Vorsitzender des Personalrats ist, verlässt er sich darauf, dass dieser seinen Einfluss im Sinne seiner Bewerbung geltend macht, was dieser auch tut, und am Ende wird er Schulrat.
Als nun der Direktor der Schule, an welcher der Personalsratsvorsitzende unterrichtet, pensioniert wird, bewirbt sich der Personalratsvorsitzende um diese Direktorenstelle und erwartet von seinem Freund und SEW-Mitstreiter, der ja jetzt Schulrat ist, dass dieser seinen Einfluss geltend macht, um die Ernennung seines Freundes zum Direktor zu befördern. Dieser tut das, und der andere erhält die Direktorenstelle. Sie haben also dieselbe Technik wie eine Zweierseilschaft bei einer Bergtour angewendet und deshalb würde man diese beiden Lehrer eine Seilschaft nennen.
Wie verbreitet sind nun "Vitamin-B"-Verhältnisse und Seilschaften im Überbau unserer Gesellschaft? Sie sind leider eher die Regel als die Ausnahme. Kommen dann noch materielle Vergünstigungen bzw. Zuwendungen zur Beförderung des Aufstiegs ins Spiel, so befinden wir uns bereits im kriminellen Bereich der Bestechlichkeit und Korruption.
Netzwerke, mafiöse Strukturen
"Die Einrichtung und Pflege von Netzwerken [...] sind ein probates Mittel der Machtkontrolle. Über zumeist lange Zeiträume aufgebaute Kontakte dienen dem praktischen Machterhalt. Studentenverbindungen, Logen, Clubs, Interessenkreise konstituieren 'innere Zirkel', eine Machtbasis, der sich (nur) der Eingeweihte bei Bedarf bedienen kann."[19]
Wir können unser obiges Beispiel (zwei Lehrer) auch hier zur Illustration verwenden: Der Lehrer, der später zum Direktor gekürt wird, ist nicht nur mit seinem Kollegen in der SEW, sondern er arbeitet zugleich für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, Stasi) der DDR und wird von einem Verbindungsoffizier des MfS angeleitet. Beide Lehrer arbeiten nach wie vor aktiv in der Gewerkschaft (GEW) mit und nutzen diese Organisation, um ihre strategischen Ziele voranzubringen (Schulsystem in Westberlin wie in der DDR gestalten). Der Lehrer, der mithilfe seines Personalratskollegen zum Schulrat aufgestiegen ist, ist von der Westberliner Schulsenatorin, die ebenfalls mit dem Schulsystem der DDR sympathisiert, in die Kommission berufen worden, die den stufenweisen Übergang des mehrgliedrigen Westberliner Schulsystems zur (sozialistischen) Einheitsschule gestalten soll. Über mehrere Organisationen, Einrichtungen, Gremien usw. kennt man sich und arbeitet, jeder dort, wo er Einfluss hat, an einem gemeinsamen strategischen Ziel.
Die Mafia und andere ähnliche kriminelle Organisationen versuchen dort, wo sie Vorteile für sich ausmachen, solche Netzwerke zu infiltrieren und diese für ihre illegalen Machenschaften zu instrumentalisieren (Geldwäsche, bestechliche Politiker, Staatsanwälte und Polizisten, Erweiterung ihrer Macht), sodass aus Netzwerken mitunter undurchdringliche und undurchsichtige Geflechte werden ("Filz"), deren Machenschaften und verborgenen Beziehungen für Kriminalpolizei und Geheimdienst (Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)) nur schwer zu durchschauen sind.
Mord und Totschlag - die Last mit den Machthabern
In seiner extremsten Ausprägung finden wir heute Machtausübung in Gestalt von Machthabern, die sich teilweise von Mafia-Bossen kaum noch unterscheiden. An allererster Stelle ist hier Putin zu nennen, den wir stellvertretend für viele andere Machthaber etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen.
Putin studierte Jura an der Universität Leningrad (heute St. Petersburg) und wurde bereits während seines Studiums vom sowjetischen Geheimdienst KGB angeworben. "Von 1975 bis 1982 war er KGB-Offizier in der ersten Hauptabteilung (Auslandsspionage). Von 1984 bis 1985 besuchte er die KGB-Hochschule in Moskau. Putin war ab 1985 in der DDR [...] tätig [...]. [Dort] avancierte [er] vom Rang eines Hauptmanns zum Major."[20]
"Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der Ukraine und Weißrusslands - Boris Jelzin, Leonid Krawtschuk und Stanislau Schuschkewitsch - im Nationalpark Beloweschskaja den sogenannten Vertrag von Minsk bzw. die Vereinbarungen von Beloweschskaja Puschtscha, worauf Schuschkewitsch dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow die Vertragsunterzeichnung telefonisch mitteilte. In diesen Vereinbarungen wurde die offizielle Auflösung der Sowjetunion festgehalten, der Vertrag zur Schaffung der UdSSR von 1922 außer Kraft gesetzt und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gegründet, die am 21. Dezember 1991 mit der Erklärung von Alma-Ata (1991) bestätigt wurde."[21]
"Putin wurde im Januar 1990 in die UdSSR zurückbeordert. [...] Im August 1996 bekam Putin den Posten als stellvertretender Leiter der Kreml-Liegenschaftsverwaltung. Im März 1997 arbeitete er als stellvertretender Kanzleileiter des Präsidenten Boris Jelzin. Im Mai 1998 rückte Putin zum stellvertretenden Chef der Präsidialverwaltung auf. [...] Vom 25. Juli 1998 bis August 1999 war er Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, ab 26. März 1999 außerdem Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation. [...] Als Wunschkandidat für seine eigene Nachfolge wurde Putin von Präsident Jelzin am 9. August 1999 zum Ministerpräsidenten ernannt. Die Duma bestätigte dies eine Woche später mit knapper Mehrheit. [...] Als Jelzin am 31. Dezember 1999 überraschend sein Amt niederlegte, übernahm Putin verfassungsgemäß auch die Amtsgeschäfte des Präsidenten der Russischen Föderation bis zur Wahl des Nachfolgers. Am selben Tag gewährte Putin per Dekret Jelzin Straffreiheit für seine Handlungen während der Amtszeit sowie für künftiges Handeln und gewährte ihm und seiner Familie einige Privilegien. [...] Am 26. März 2000 fanden Präsidentschaftswahlen statt, die Putin im ersten Wahlgang mit 52,9 Prozent der Stimmen gewann. Nach Boris Jelzin wurde Putin der zweite Präsident Russlands. [...] Vom 25. Juli 1998 bis August 1999 war [Putin] Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, ab 26. März 1999 außerdem Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation."[22]
Nach diesem kurzen Überblick können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass Putin die Auflösung der Sowjetunion als schweren Fehler betrachtete, den er unbedingt rückgängig zu machen sucht. Wie oben bereits erwähnt, betrachtet sich Putin als das Alpha-Männchen unter den Regierenden der anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und seine ganze Außenpolitik ist darauf ausgerichtet, territorial das "alte Sowjetreich" unter Russlands (sprich: seiner) Führung wieder herzustellen. Dabei bedient er sich aller Machtmittel eines skrupellosen KGB-Mannes: "2004 galt der prowestliche Kandidat Viktor Juschtschenko als Favorit in den ukrainischen Präsidentenwahlen. Während des Wahlkampfs im Herbst wurde er - wie sich erst Monate später herausstellte - mit Dioxin vergiftet und dadurch lebensgefährlich verletzt, sein Gesicht wurde stark entstellt."[23]
Die östlichen Gebiete des UdSSR-Nachfolgestaats Moldau, Transnistrien und Gagausien, "riefen 1990 die Unabhängigkeit von der Republik Moldau aus [...]. [...] ab 1992 [...] kam [es] zu einem Krieg mit über 1000 Toten, der schließlich mit der De-facto-Unabhängigkeit dieses Landesteils endete. Die Kämpfe wurden erst durch das Eingreifen der auf transnistrischem Territorium stationierten russischen 14. Armee unter Führung von General Alexander Lebed beendet. Transnistrien bildet seitdem ein die moldauischen Gebiete östlich des Dnister umfassendes De-facto-Regime, das eine operationelle Gruppe der Streitkräfte der Russischen Föderation auf seinem Territorium duldet."[24]
Als sich die Westorientierung des UdSSR-Nachfolgestaates Ukraine abzeichnete, kam es in der Ost-Ukraine zu Kampfhandlungen "zwischen von Russland unterstützten Milizen, regulären russischen und ukrainischen Truppen sowie Freiwilligenmilizen [...]. [...] Von Beginn an wurde der russischen Regierung vorgeworfen, Unruhen während und nach dem Euromaidan zu schüren in der Absicht, den Osten und Süden der Ukraine zu destabilisieren. Ziele waren Charkiw, Odessa, Mariupol, Luhansk und Donezk samt Umgebung. Während sich in Charkiw, Odessa und Mariupol die Lage beruhigte, wurden in den Oblasten Donezk und Luhansk bewaffnete sogenannte Volksmilizen aktiv. Wie auf der Krim waren von Russland her kommende Sondertruppen beteiligt. Auch nach Einschätzung eines Kommandanten einer solchen Einheit ging der Krieg in der Ostukraine nicht von den Donbass-Bewohnern selbst, sondern von diesen bewaffneten Einheiten aus. Russland unterstützt diese Milizen durch das Einsickernlassen von Freischärlern und durch Lieferungen von schweren Waffen bis hin zu Panzern. Aufgrund aller bekannten Indizien dementierten auch die staatsnahen russischen Medien ab September 2014 nicht mehr die Anwesenheit russischer Soldaten, sondern verbreiteten das Narrativ, die Soldaten würden 'in ihrer Freizeit' dort kämpfen."[25] Im Februar 2022 schließlich überfielen Putins Truppen die Ukraine mit dem erklärten Ziel, das Territorium der Ukraine wieder vollständig unter russische Kontrolle zu bringen und dem russischen Staatsgebiet einzuverleiben.
Seinem Busenfreund Lukaschenko, seines Zeichens Wahlfälscher und skrupelloser Diktator von Weißrussland, machte Putin immer wieder Avancen hinsichtlich einer (Wieder-) Vereinigung von Weißrussland mit Russland.
Innenpolitisch geriert sich Putin als absoluter Machthaber des Landes. Im Folgenden werden dokumentierte Fälle von Anschlägen und Morden sowie Verfolgung politisch unliebsamer Personen aufgelistet:
"Boris Nemzow war ein scharfer Kritiker Wladimir Putins - und er starb in der Nacht zum 27. Februar 2015 einen gewaltsamen Tod durch vier Schüsse in den Rücken."[26] Er "wurde in Sichtweite der Kreml auf der Großen Moskwa-Brücke [...] erschossen. Als Täter ermittelte die Polizei mehrere Tschetschenen. Drei wurden 2017 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Nemzows Familie und auch Oppositionelle bezweifeln allerdings, dass der Mord aufgeklärt ist. 'Die politische Verantwortung für die Ermordung gehört direkt dem Kreml und Wladimir Putin selbst', sagte im Februar Nemzows Freund Wladimir Kara-Mursa."[27]
"Boris Abramowitsch Beresowski wurde im März 2013 tot in seinem Badezimmer in England aufgefunden. Laut Rechtsmedizinern war die Todesursache nicht eindeutig festzustellen. Beresowski war einst ein Kreml-Insider, wurde aber zu einem erbitterten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er lebte in Großbritannien im selbst auferlegten Exil."[28]
Alexander "Litwinenko [ehemaliger Agent beim russischen KGB und Kreml-Kritiker] war in einem Londoner Krankenhaus qualvoll an einer Vergiftung mit dem radioaktiven Stoff Polonium 210 gestorben. Zuvor hatte er sich mit Lugowoj und dem Geschäftsmann Dmitrij Kowtun auf eine Tasse Tee in einem Londoner Hotel getroffen. Bis heute sitzt Andrej Lugowoj, Hauptverdächtiger der Ermordung des Kreml-Kritikers, als Abgeordneter im [russischen] Parlament."[29]
"Der Anwalt Sergej Magnitski starb im November 2009 unter nicht geklärten Umständen im russischen Gefängnis. Sergej Magnitski, Jurist des Finanzunternehmens "Hermitage Capital Management" deckte einen Steuerbetrug in Russland auf, Staatsdiener sollen daran beteiligt gewesen sein. Als er die Tatverdächtigen anzeigt, wird er selbst festgenommen. Ihm und seinem Chef wird ebenfalls Steuerhinterziehung vorgeworfen. Magnitski selbst sitzt fast ein Jahr in Haft, bis er schließlich stirbt."[30]
"Der frühere russische Doppelagent Sergej Skripal wurde im Jahr 2018 Opfer eines Giftanschlags. Im Fall Skripal war ein Nervengift der in der Sowjetunion entwickelten Nowitschok-Gruppe zum Einsatz gekommen. Der Anschlag, den Skripal und seine Tochter überlebten, wurde allerdings aus russischer Sicht zum Debakel, weil die Täter geradezu grotesk ungeschickt vorgegangen waren. Die britische Polizei konnte sie mithilfe der Aufnahmen von Überwachungskameras ausfindig machen und veröffentlichte zwei Namen: Alexander Petrow und Ruslan Boschirow - Tarnidentitäten, unter denen die beiden Männer eingereist und auch wieder nach Moskau zurückgeflogen waren. Journalisten enttarnten die Männer dann rasch als die GRU-Agenten Anatolij Tschepiga und Alexander Mischkin [GRU = russischer Militärgeheimdienst].
Selimchan Changoschwili, ein Georgier tschetschenischer Herkunft, der einst im Kaukasus gegen die Russen gekämpft hatte, war von einem Auftragskiller am 23. August 2019 im Berliner Tiergarten erschossen worden. Der mutmaßliche Mörder ist Russe, sitzt in Berlin in Haft und schweigt. Die Bundesanwaltschaft geht aber davon aus, dass 'staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation' ihm den Mordauftrag erteilt haben.
Am 7. Oktober 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen. In ihren Artikeln hatte sie die Zustände in Tschetschenien, aber auch in anderen Teilen Russlands angeprangert. Über Wladimir Putin schrieb sie: 'Er rechnet ab mit denen, die sich allzu aufmüpfig gebärden, erstickt Meinungsvielfalt und Freiheit im Keim.'"[31]
"Ein Giftanschlag auf Alexei Nawalny ereignete sich am 20. August 2020. Der russische Oppositionspolitiker und Dissident Alexei Nawalny klagte während eines Flugs von Tomsk nach Moskau über Unwohlsein und verlor anschließend das Bewusstsein. Nach zweitägiger Behandlung in Omsk wurde Nawalny auf Bestreben seiner Familie nach Deutschland verlegt, wo er in die Berliner Charité eingeliefert wurde. Dort wurde eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok festgestellt. Deshalb und aufgrund weiterer Enthüllungen steht der russische Geheimdienst im Verdacht, für den Anschlag verantwortlich zu sein."[32] Am 16. Februar 2024 stirbt Navalny in einem russischen Strafgefangenenlager unter ungeklärten Umständen.
Zunehmend gehen die staatlichen Stellen unter Putin auch zu einer Methode über, die in den siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhundert vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS, Stasi) der DDR verstärkt gegen Oppositionelle angewendet wurde. Um die Inhaftierung der Regime-Kritiker nicht als politisch motiviert erscheinen zu lassen, "hängte" man ihnen irgendwelche kriminellen Taten "an", um sie dann als Kriminelle im Gefängnis verschwinden lassen zu können (so führte das MfS dem "unbequemen" Liedermacher Wolf Biermann Minderjährige zu, mit dem Ziel, ihn später strafrechtlich belangen zu können). Als Delikte für eine derartige Kriminalisierung wurden unpolitische Vergehen wie Drogenbesitz, Zoll- und Devisenvergehen, Diebstahl, Steuerhinterziehungen oder Vergewaltigungen angestrebt.[33]
Ein bekannter aktueller Fall ist der des russischen Historikers Juri Dmitrijew. "Der für seine Forschungen über die Verbrechen der Stalin-Zeit bekannte russische Historiker Juri Dmitrijew ist [...] wegen sexuellen Missbrauchs zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sein Anwalt sagte, er habe die schriftliche Begründung des Urteils noch nicht vorliegen. Der 64-jährige Chef der Menschenrechtsorganisation Memorial in der Teilrepublik Karelien war der sexuellen Gewalt gegen seine Adoptivtochter angeklagt.
Niemand glaube, dass die Anschuldigungen wahr sind, stellt die Menschenrechtsorganisation Memorial fest. Vielmehr gilt Dmitrijew als politisch Verfolgter, der mit erfundenen Vorwürfen zum Schweigen gebracht werden soll. Russland kennt viele solcher Fälle - und es werden immer mehr.
1997 hatte Dmitrijew nach Forschungen zu Hinrichtungen unter Stalin in Sandarmoch ein Massengrab mit 7.000 Leichen aus der Zeit des Großen Terrors von 1937 und 1938 gefunden.
Er organisierte das Gedenken - geriet damit aber jenen Kräften in die Quere, die Stalin verehren. 'Wir müssen an jene Menschen erinnern, die durch den Willen der Anführer unseres Staates starben', sagte Dmitrijew vor Gericht. Er halte das für seine patriotische Pflicht, sagte er jenen, die ihm vorwerfen, er wolle Russlands Geschichte mit Füßen treten.
'Opfer ist nicht nur Dmitrijew, sondern auch seine Tochter, die um ihr Leben in ihrer Familie gebracht wurde', teilt Memorial mit. Das Mädchen ist heute 15 Jahre alt. Beweise für eine Schuld Dmitrijews gibt es auch laut Gutachten nicht. Doch den Behörden in der Republik Karelien gefiel vor allem nicht, dass der Historiker bei Memorial den Verbrechen unter dem Sowjetdiktator Josef Stalin nachspürte. Das Kulturministerium in Karelien sah die Gefahr, dass durch Dmitrijews Arbeit der 'internationale Ruf Russlands' Schaden nehmen könnte.
'Dmitrijews Anklage ist im Kontext mit den Anstrengungen der russischen Behörden zu sehen, die Verbrechen Stalins kleinzureden', teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit. Medien zeichneten nach, wie Ermittler 2016 in Dmitrijews Anwesenheit in seine Wohnung eindrangen und von seinem Computer Dateien sicherten. Dort gab es auch Bilder der nackten Adoptivtochter, die Gutachter ausdrücklich nicht als Kinderpornografie einstuften.
Dmitrijew ist mehrfacher Vater und Großvater - niemand bezeugte pädophile Neigungen, auch Psychiater nicht. Die Nacktfotos hatte er nach eigener Darstellung gemacht, um die Entwicklung des unterernährten Kindes zu dokumentieren.
Zwar gab es für ihn in einem früheren Verfahren einen Freispruch. Das Oberste Gericht Kareliens kassierte den aber 2018, weshalb es zur neuen Festnahme samt Prozess kam. Russlands Justiz lässt fast nie jemanden aus ihren Fängen, den sie einmal hat. Und die Opposition beklagt inzwischen landesweit immer schlimmere Repressionen gegen Andersdenkende. Demonstranten und Aktivisten finden sich oft in Haft als Staatsfeinde wieder - unter anderem wegen Extremismus.
Und fast immer gibt es in den Verfahren - wie im Fall Dmitrijew - zweifelhafte Beweise. Der frühere Journalist Iwan Safronow, der Skandale in der Rüstungsindustrie öffentlich machte, sieht sich vom Inlandsgeheimdienst FSB als Spion für die Nato beschuldigt. Der FSB steht bisweilen in der Kritik - wie sein Vorgänger KGB - mit gefälschten Beweisen und gekauften Zeugen gegen System-Kritiker vorzugehen. In beiden Organisationen diente auch Präsident Wladimir Putin - am Ende als FSB-Chef. Der Herr im Kreml nehme inzwischen jeden Preis in Kauf, um sich an der Macht zu halten, schreibt die Politologin Lilja Schewzowa bei Facebook.
Ähnlich Aufsehen erregend wie Safronows Inhaftierung war zuletzt die des Gouverneurs Sergej Furgal, der in Moskau wegen mehrfachen Mordes in Untersuchungshaft sitzt. Kommentatoren meinten mit Blick auf den Fall Furgal, der Kreml habe sich schon viel einfallen lassen - vor allem Prozesse wegen Korruption und Betrug - um sich unliebsamer Gouverneure zu entledigen. Aber Mord: das übertreffe alles Bisherige.
Die politisch inszenierten oder bestellten Prozesse zeigten die ganzen Auswüchse eines 'fortgeschrittenen Autoritarismus', stellt der Experte Andrej Kolesnikow bei der Moskauer Denkfabrik Carnegie Center fest. Er sieht Mechanismen, die es schon zu KGB-Zeiten gab: die Suche nach äußeren und inneren Feinden und eine Verschärfung der Repressionen. Damit würden etwa wirtschaftliche Probleme überdeckt.
Kremlkritiker sehen darin vor allem das Ziel, die Gesellschaft mit harten Urteilen in Angst zu versetzen. Doch immer mehr Menschen in Russland gehen auf die Straße, um gegen Ungerechtigkeit zu protestieren. Im vergangenen Jahr führte das zur Freilassung des Journalisten Iwan Golunow. Ihm hatte die Polizei in Moskau Drogen untergeschoben, um ihn aus dem Weg zu räumen. Golunow hatte ein mafiöses System im Polizeiapparat und die Verwicklung der Beamten ins Beerdigungsgeschäft enthüllt und sich so Feinde gemacht."[34]
Putins KGB-Killer und russische "Freizeit-Soldaten" agieren inzwischen weltweit und mit einer unglaublichen Dreistigkeit, Skrupellosigkeit und Brutalität; das jüngste bekannt gewordene KGB-Verbrechen geschah 2014 auf dem Territorium der Tschechischen Republik: "Am 16. Oktober 2014 explodierten 50 Tonnen Munition in einem Lager nahe dem Ort Vrbetice im Südosten Tschechiens, zwei Menschen starben dabei. Im Dezember 2014 gab es eine weitere Explosion, die Ortschaft musste evakuiert werden. [...] Zwei russische Agenten des Militärnachrichtendienstes GRU seien dafür verantwortlich, erklärten am Wochenende [17./18.4.2021] Premier Andrej Babiš und Innenminister Jan Hamácek, interimsweise auch Außenminister, in einer außerordentlichen Pressekonferenz. Demnach seien die beiden Agenten auf das Gelände der Firma Imex Group vorgedrungen und hätten die Kisten entsprechend präpariert. Wie das tschechische Magazin Respekt ausführt, handelte es sich um eine Lieferung für die ukrainische Regierung. Sie gehörte demnach dem bulgarischen Waffenhändler Emilian Gebrew, der einen Kaufvertrag mit der Ukraine geschlossen hatte. Auf ihn wurden 2015 zwei Giftanschläge mit Nowitschok verübt."[35]
Dem russischen Geheimdienst untersteht auch ein Hacker-Netzwerk, das im Auftrag von Putins Geheimdienst weltweit Cyber-Attacken verübt. Erst im April 2021 wies die US-Regierung zehn russische Diplomaten aus als Vergeltung für einen Russland zugeschriebenen Hackerangriff[36].
Unabhängige Medien gibt es in Russland faktisch nicht mehr. Putin hat sie alle "gleichgeschaltet" und eine ihrer Aufgaben ist es, alle Anschuldungen wegen der im Auftrag Putins begangenen Verbrechen als Lügen hinzustellen und die internationalen Ankläger als "Faschisten" zu diffamieren.
Opposition gegen Putins verbrecherisches Regime gibt es, aber sobald sie wagt, an die Öffentlichkeit zu gehen, wird sie mit brutalsten Mitteln niedergeknüppelt und von einer willfährigen, korrumpierten "Justiz" kriminalisiert und weggesperrt.
Hören wir an dieser Stelle einfach auf; wollten wir ein tatsächlich vollständiges Bild der Verbrechen des russischen Machthabers Putin zeichnen, würde das mit Sicherheit den Rahmen dieses Buches sprengen.
Die Machenschaften anderer aktuell Mächtiger unsere Erde will ich hier nur noch kursorisch und in Auswahl darstellen (denn es soll kein mehrbändiges Werk werden).
Ein weiterer Mörder ist der Kronprinz von Saudi-Arabien: "Die Organisation 'Reporter ohne Grenzen' hat beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman gestellt. Er sei mutmaßlich hauptverantwortlich für den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi und die Inhaftierung von mehr als 30 saudischen Journalistinnen und Journalisten [...]."[37]
Barack Obama ordnet in der Nacht zum 2.5.2011 die Tötung des Terroristen Osama bin Laden an; es wäre ohne weiteres auch möglich gewesen, bin Laden lebend in die USA zu bringen und ihm dort einen rechtsstaatlichen Prozess zu machen (die Israelis haben das ja mit Adolf Eichmann auch geschafft).
Donald Trump gibt seine Zustimmung zur Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani am 2.1.2020 unter Einsatz einer Drohne des US-amerikanischen Militärs im Irak. Mit dem General sterben dabei mindestens acht weitere Menschen durch den Einschlag der Rakete. Nach der Haager Kriegsrechtskonvention ist es untersagt, mit einem Panzer direkt auf Menschen zu schießen; gilt das für Raketen nicht? Einen fairen Prozess hat Soleimani von der US-amerikanischen Justiz nie erhalten.
Obwohl die US-amerikanische Verfassung Folterung von Gefangenen verbietet, lassen die USA Gefangene in ihrem kubanischen Militärstützpunkt Guantanamo foltern ("Weiße Folter") und benutzen Folterstaaten wie Ägypten, um von eigenen Gefangenen Geständnisse unter Einsatz von Folter zu erhalten.
Weltweit gibt es drei Regime, Nordkorea, China und Russland, die dem totalitären Staat Ozeanien in George Orwells Roman "1984" schon sehr, sehr nahe kommen. Liest man Berichte über die Menschenrechtslage insbesondere in Nordkorea und China, so keimt der Verdacht auf, die dortigen Machthaber hätten Orwells Roman als Handlungsanweisung für ihr Regime missbraucht.
Unumschränkter Machthaber Nordkoreas ist Kim Jong-un, der Vorsitzende des Komitees für Staatsangelegenheiten der DVRK, Oberbefehlshaber der Koreanischen Volksarmee und Vorsitzender und zugleich Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas sowie seit dem 29. Dezember 2011 der sogenannte "Oberste Führer" der Demokratischen Volksrepublik Korea, der mit dem "Großen Bruder" aus Orwells Roman "1984" vergleichbar ist. Im Wikipedia-Artikel "Polizeistaat" heißt es zu Nordkorea: "Nordkorea unter der Herrschaft der neostalinistischen Partei der Arbeit Koreas ist ein extremer Unterdrückungs- und Polizeistaat und gehört zu den Ländern, in denen dabei die Menschenrechte am wenigsten geachtet werden. Kritik an der Führung wird streng bestraft. Die Medien werden vollständig vom Staat kontrolliert, nicht genehmigte Versammlungen sind verboten. Den Nordkoreanern ist es nicht erlaubt, das Land zu verlassen. Der Aufenthaltsort im Land wird von den Behörden vorgeschrieben.
Menschenrechtsgruppen berichten von Gefangenen- und Arbeitslagern, in denen viele politische Gefangene, sowie Menschen, die lediglich aufgrund ihres Glaubens verhaftet wurden, inhaftiert sind. Selbst schwangere Frauen werden in diesen Lagern zu langer und harter Arbeit gezwungen. Die Inhaftierten sind der Willkür der Wärter ausgeliefert, es existieren Berichte über Folter. Inhaftierte starben infolge Folter, Hunger oder wurden wegen geringer Vergehen hingerichtet. Hinrichtungen finden oft in der Öffentlichkeit statt. Westlichen Hilfsorganisationen zufolge sind rund 200.000 Menschen interniert (Stand 2005), von denen etwa 10 bis 20 % pro Jahr durch miserable Lagerverhältnisse oder Exekutionen umkommen. Vereinzelte Zeugen (z. B. Kang Chol-hwan oder Lee Soon-ok), denen es gelungen ist, aus den Lagern und aus Nordkorea zu fliehen, berichten darüber hinaus über Menschenversuche an Gefangenen mit Gasen oder Viren. Auch die Religionsfreiheit in Nordkorea ist nicht gewährleistet."[38]
Und über China heißt es im oben erwähnten Wikipedia-Artikel: "Die Volksrepublik China ist ein autoritärer und repressiver Polizeistaat unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). [...]
Die Gründung von unabhängigen Gewerkschaften ist verboten, Presse- und Meinungsfreiheit sind nicht existent. Millionen Dissidenten sind in Arbeitslagern oder psychiatrischen Kliniken inhaftiert. Streng zensiert wird das Internet, dort stattfindende Diskussionen werden kontrolliert, unliebsame Personen oder Regimekritiker festgenommen."[39]
Die Art der Machtausübung in diesen beiden Staaten und dem Russland Putins lässt sich in etwa mit den Ausführungen O'Briens in Orwells Roman charakterisieren: "Die Partei strebt nur aus eigenem Interesse nach der Macht. Das Wohl anderer interessiert uns nicht; uns interessiert einzig die Macht. Weder Reichtum und Luxus noch langes Leben und Glück: nur Macht, reine Macht. [...] Wir unterscheiden uns von allen Oligarchien der Vergangenheit dadurch, dass wir wissen, was wir tun. Alle anderen, selbst die, die uns ähnelten, waren Feiglinge und Heuchler. Die deutschen Nazis und die russischen Kommunisten reichten in ihren Methoden nahe an uns heran, aber es fehlte ihnen immer der Mut, ihre eigenen Motive anzuerkennen. Sie gaben vor - sie glaubten es vielleicht sogar -, dass sie die Macht widerwillig und nur für begrenzte Zeit ergriffen hatten und dass gleich um die nächste Ecke ein Paradies liege, in dem die Menschen frei und gleich sein würden. Wir sind nicht so. Wir wissen, dass niemand die Macht je in der Absicht ergreift, sie wieder abzugeben. Macht ist kein Mittel, sondern ein Endzweck. Man errichtet keine Diktatur, um eine Revolution zu garantieren; man macht die Revolution, um die Diktatur zu errichten. Das Ziel der Verfolgung ist die Verfolgung. Das Ziel der Folter ist die Folter. Das Ziel der Macht ist die Macht. [...] Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, dann stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt - unaufhörlich."[40]
Diebold schreibt hierzu passend[41]: "Absolute Macht verträgt keine Skrupel. Nur kurz gestreift werden hier extremste Formen der Machtausübung: Krieg, Terror und Folter. Die physische Vernichtung des Gegners ist die Ausprägung der totalen Beherrschung über ihn und seinesgleichen. Die perfideste dieser drei Formen ist zweifellos die Folter, weil das Opfer hier total ohnmächtig ist und ihm diese Ohnmacht in einem offensichtlich endlosen Prozess psychischer und körperlicher Zerstörung permanent vor Augen geführt wird. Politische Massenmörder können nett und liebenswürdig mit kleinen Kindern umgehen und doch fünf Minuten später Exekution und Gulag für Hunderttausende anordnen. Für solche Gestalten ist das kein Widerspruch, denn sie sind mit sich im Einklang, haben keine Skrupel. Das Argument der 'Staatsräson' rechtfertigt zuweilen selbst heute noch staatlich gelenkten Mord als 'präventive Terrorismusbekämpfung'."
Signale der Dominanz und der Unterwerfung
Der soziale Rang einer Person lässt sich nur innerhalb der Gruppe feststellen; ein Alpha-Männchen kann seine Machtposition nur realisieren, wenn ihm die anderen Mitglieder der Gruppe signalisieren, dass sie sich ihm unterwerfen, also seine ranghöhere Position anerkennen. Bei Hunden kennen wir die Zeichen der Unterwürfigkeit: Der rangniedrigere Hund unterwirft sich dem dominanten Männchen im wahrsten Sinn des Wortes: Er geht vor dem dominanten Männchen zu Boden. Im Kampf bietet der rangniedrigere Hund - auf dem Rücken vor dem dominanten Männchen liegend - seine Kehle dar. Diese Unterwerfungsgeste löst beim überlegenen Tier eine Zubeißsperre aus und er lässt ab von dem unterworfenen Tier.
Auch in unterschiedlichen Kulturen und in früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte gibt und gab es solche Unterwerfungsrituale. Erhielt man beispielsweise im kaiserlichen China die Gnade einer Audienz beim Kaiser, so musste man sich - als Vorspiel der Audienz - in gemessenem Abstand vor dem Kaiser zu Boden werfen und mit der Stirn den Boden berühren; hatte man dieses Ritual dreimal vollzogen, verblieb man mit gesenktem Kopf in kniender Stellung und erwartete in dieser Haltung die Ansprache des Kaisers.
Je höher der Rang einer Person, desto mehr Raum beansprucht diese für sich. So waren die Ausmaße von Hitlers Arbeitszimmer in seiner neuen Reichskanzlei gigantisch: Es hatte eine Grundfläche von knapp 400 m² bei einer Höhe von fast zehn Metern. Wer zu diesem Arbeitszimmer wollte, musste zuvor eine 300 Meter lange Raumflucht durcheilen.[42]
Wer nun als Rangniedriger in das Büro eines Ranghöheren eintritt, sollte bereits einige Meter vor Erreichen des Schreibtisches stehen bleiben, am besten in leicht vorgebeugter Haltung und mit leicht gesenktem Kopf. Wer dagegen zum Schreibtisch geht und sich gar auf den Stuhl setzt, der davor steht, hat es sich hundertprozentig mit dem Chef verscherzt.
Früher war es üblich, sich vor höher- oder hochgestellten Personen zu verbeugen; je höher der Rang, desto tiefer galt es, den Bückling zu machen. Indem der Rangtiefere dem Ranghöheren den ungeschützten Nacken darbot und seine Augen zu Boden blickten, signalisierte er dem Ranghöheren, dass er sich auf Gedeih und Verderb dem anderen ausliefert - was nur ein Unterlegener tut. Noch heute neigen Rangniedrigere bei der Begrüßung eines Ranghöheren dazu, mit dem Kopf leicht nach vorn zu nicken und somit einen Bückling anzudeuten.
Ranghöhere fechten regelrechte "Blickduelle" mit anderen Menschen aus, sie suchen geradezu mit einem starren, stechenden Blick den Blickkontakt mit ihrem Gegenüber und halten diesen unverwandt; wer zuerst wegblickt, ist der Unterlegene.
Ein Chef kann es sich erlauben, einen Rangniedrigeren anzubrüllen; das wirkt zwar in unseren Augen "uncool", aber indem der Untergebene es sich nicht erlauben kann zurückzubrüllen, signalisiert dieser Unterwerfung - und das ist das, was der Chef mit seiner Brüllerei demonstrieren will. Der Angebrüllte steht - sofern er seine Stelle behalten möchte - still und zu Boden blickend vor dem rasenden Boss und - soll er Rede und Antwort stehen - wird mit leiser, unsicherer Stimme antworten.
Jemand, der bei einer Unterhaltung seinem Gegenüber jovial den Arm auf die Schulter legt, zeigt damit seine Dominanz über den anderen.
Wer bei der Begrüßung eine aufrechte, gerade Körperhaltung einnimmt und seinem Gegenüber mit einem leicht zurückgeneigten Kopf unverwandt in die Augen schaut - ohne mit dem Kopf - wie kurz auch immer - nach vorn zu nicken - erweist sich als der Dominante.
Beginnt ein Neuer in einer Firma zu arbeiten, so kann er mit Sicherheit darauf warten, dass der Chef ihm bald eine Gelegenheit geben wird, seine Unterwerfung unter den Chef zu signalisieren; dies kann mitunter sehr subtil sein, aber der Chef erwartet vom Neuen, dass dieser erwartungsgemäß reagiert. Zeigt der "Geprüfte" diese Unterwerfung nicht, gibt ihm der Dominante vielleicht noch ein, zwei Gelegenheiten, dies nachzuholen; wird auch hier nicht die Unterwerfung gezeigt, sollte sich der Neue schon langsam wieder nach einer anderen Stelle umschauen. Dem Chef signalisiert er dadurch Illoyalität und Kampfansage und der Vorgesetzte wird mit steigender Intensität diesen "Rivalen" aus dem Betrieb hinausekeln.
Also auch im Bereich der Körpersprache und verbaler Strategien zeigt sich das archaische Erbe des Trockennasenprimaten Mensch.
Haben wir uns oben mit den Machthabern beschäftigt, werden wir uns hier nun mit der Gruppe oder den Gruppen beschäftigen, die diese Machthaber mehr oder weniger ertragen müssen:
Beherrschte, Mitläufer, Opportunisten und Speichellecker
Bleiben wir bei dem Beispiel des heutigen Russland, Putins Russland. Der Zufall hat dem KGB-Mann Putin die Macht über Russland zugespielt, Putin hat diese Chance erkannt und hat sie entschlossen ergriffen. Mafia-Organisationen sind nahezu identisch mit Geheimdiensten, insofern fiel es dem Geheimdienstler Putin nicht schwer, Russland in einen Mafia-Staat umzuwandeln. Dazu heißt es bei Wikipedia: "Im Jahr 2004 wurde der Begriff Mafia-Staat von Alexander Litwinenko möglicherweise erstmals verwendet. Ein Mafia-Staat ist nicht nur möglich, wenn ein Staat von der Unterwelt gekapert wird, sondern kann auch von oben dazu umgewandelt werden. Die Ähnlichkeit besteht im Vorhandensein eines 'Paten', der die total loyale Familie kontrolliert und die Reichtümer und Besitzrechte des Landes an seinen Dienstadel verteilt. Stephan Bierling bezeichnet Russland unter Wladimir Putin als 'am weitesten fortgeschritten beim Umbau des Landes in einen Mafia-Staat' und auch der oppositionelle russische Politiker Grigori Jawlinski verwendete diesen Ausdruck."[43]
Russland ist im Prinzip ein reiches Land; es verfügt über unermessliche Rohstoffvorkommen wie Erdöl, Erdgas, Gold und Edelsteine - um nur einige wenige zu nennen. Putin als "Pate" besitzt dieses Land, er verfügt über diese Reichtümer. Er beurteilt alle Aktivitäten unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für ihn selbst. Möchte beispielsweise ein Unternehmer eine Schürf-Lizenz in Sibirien erwerben, so erhält er diese nur, wenn er bereit ist, Geld auf bestimmte Konten zu transferieren, die anschließend "gewaschen" werden (das heißt, ihre ursprüngliche Herkunft und eigentliche Zweckbestimmung ist nicht mehr erkennbar) und schließlich auf Putins Konten landen. Daneben muss der Unternehmer natürlich auch noch reguläre Steuern zahlen. Nun kann der Unternehmer selbst Profite erzielen. Ist er nicht bereit, diese "Schutzgelder" an diese bestimmten Konten abzuführen, wird er bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf seine Lizenz warten müssen.
Dieses korrupte Putin'sche Regime macht Putin unermesslich reich und mit diesem Geld kann er eine Menge kaufen: Er unterhält einen umfangreichen Geheimdienst-Apparat mit zuverlässigen Killer-Kommandos, die ihre Aufträge auch kennen, wenn es ihr Herr nicht ausdrücklich befiehlt (man lese nur bei Bulgakow nach ("Der Meister und Margarita"), wie Pilatus die Ermordung einer unliebsamen Person initiiert). Er umgibt sich mit einem persönlichen "Cordon sanitaire" von begünstigten Oligarchen, die sich Russlands Reichtum unter den Nagel reißen können, aber vollständig von Putins Gnade abhängen, der natürlich erwartet, dass die Hunde nicht den Herrn beißen, der ihnen die Fleischstücke hinwirft, sondern ihm absolut loyal ergeben sind.
Die Justiz ist zu Putins ganz persönlicher Hure verkommen, die nach seiner Pfeife zu tanzen hat. Richterinnen und Richter, die nicht wissen, wie sie "Recht" zu sprechen haben, können sich bald woanders einen Job suchen.
Die große Masse der Bevölkerung ist medial einem Propaganda-Apparat ausgeliefert, angesichts dessen Hitlers Propaganda-Chef Göbbels vor Neid erblasst wäre. Putin lässt von gut bezahlten, willfährigen Journaillen eine Parallel-Welt erschaffen, in dem die Lüge die Wahrheit, die Wahrheit Lüge, die Guten die Bösen und die Bösen die Guten sind. Putins Propaganda-Apparat entspricht ziemlich genau Orwells "Wahrheitsministerium" in seinem Roman "1984".
Dabei achtet Putin darauf, dass der Bevölkerung materiell so viel vom großen Kuchen zufällt, dass der Durchschnittsbürger ein auskömmliches Einkommen hat, mit dem er sein Leben leidlich bestreiten kann.
Das heißt, es werden alle gekauft - einschließlich der orthodoxen Kirche -, damit Putin ungestört herrschen kann. Die Mehrheit der Russen hat sich im Jahr 2020 sogar für ein Linsengericht eine Verfassungsreform zu Putins Gunsten abhandeln lassen, die Putins Herrschaft verlängert und seine absolutistische Machtfülle deutlich erweitert. Insbesondere hat Putin damit faktisch jegliche legale Opposition gegen sein Regime unmöglich gemacht. Wer opponiert ist kriminell, wer kriminell ist, wandert ins Straflager (Stalins Gulag lässt grüßen!).
Wie drückte es einmal eine Kollegin mit langen, leidvollen DDR-Erfahrungen aus? Wenn du in der DDR den Mund gehalten und abends die Wohnungstür hinter dir zugezogen hast, konntest du eigentlich ganz gut leben. - Wenn du Putins Mafia den geforderten Tribut ablieferst und sie nicht in ihren Geschäften störst, gestatten sie dir, "eigentlich ganz gut [zu] leben". So ist Putins Russland in der Hauptsache ein Land von Profiteuren, Mitläufern, Opportunisten und Speichelleckern geworden, die auf Kosten der großen, belogenen Masse gut und sehr gut leben, und diejenigen, die auf der Straße "Krakeel" machen, die die Menschenrechte und Gerechtigkeit einfordern, sind selbst schuld, wenn sie anschließend im Gefängnis oder im Arbeitslager landen - was machen sie auch so'n Schweinkram?!
Kriegerische Konflikte und Allianzen zwischen Menschengruppen
Das Territorialverhalten des Menschen
Menschen grenzen sich ab - das lässt sich bereits bei Kindern beobachten: Vertraute Personen lässt ein Kind nahe an sich herankommen und gestattet es diesen, sie sogar auf den Arm zu nehmen. Bei fremden Personen beansprucht dasselbe Kind eine viel größere Distanz (etwa drei Meter). Nähert sich die fremde Person, unterschreitet sie diese Individual- oder kritische Distanz, versucht das Kind zu einer vertrauten Person zu fliehen, zur Mutter, falls sie da ist - ohne die fremde Person aus den Augen zu lassen. Dort klammert sich das Kind an und blickt angstvoll zum Fremden. Ist das Kind alleine und unterschreitet der Fremde die Individualdistanz, dann verkriecht sich das Kind unter einen Tisch, wendet den Blick zusammengekauert von dem Fremden ab und weint laut klagend vor sich hin; da hilft auch keine noch so besänftigende Ansprache des Fremden.
Gruppen grenzen sich voneinander ab: Die Fanblöcke in den Fußballstadien beanspruchen klar begrenzte Territorien, die Bowling-Center ordnen jeder Bahn klar erkennbare Bereiche für die spielenden Gruppen zu, die Städte und Gemeinden haben exakt definierte Grenzen, Nationen beanspruchen klar festgelegte Territorien und alle Gruppen sind im Fall, dass fremde Gruppen besitzergreifend in diese Territorien eindringen, bereit, ihr Territorium "mit Zähnen und Klauen" zu verteidigen.
"Das territoriale Verhalten des Menschen äußert sich schon darin, dass die Grenzen des als Eigentum betrachteten Raumes durch Mauern, Zäune und Schilder 'umfriedet' und damit abgegrenzt und gekennzeichnet werden." (s. Anm. 4, S. 122)
Dieses Territorialverhalten ist bei Tieren nicht anders. "Das Territorium sichert den betreffenden Tieren ihren Nahrungsraum sowie ihre Brut-, Schlaf- und Zufluchtsstätten. Bei paarbildenden Tieren (z. B. Gibbons) wird das Territorium von Männchen und Weibchen verteidigt. Wölfe, Mantelpaviane und Rhesusaffen, die in größeren Gruppen leben, verteidigen ihr Territorium gemeinsam gegen Gruppenfeinde der eigenen Art. [...]
Die Reviergröße ist von Tierart zu Tierart verschieden. Sie hängt von der benötigten Nahrungsmenge der betreffenden Art, von der Art der Nahrung und von der Produktivität des Territoriums ab." (s. Anm. 4, S. 91) "Die Territoriumsgrenzen werden von vielen Tieren markiert." (s. Anm. 4, S. 92)
"Die biologische Bedeutung des Territorialverhaltens ist in der Nachwuchskontrolle, dem Schutz vor Feinden und in der Regulation der Bevölkerungsdichte zu sehen. Bei Tierarten, die Territorien besetzen, pflanzen sich nur die Territoriumsinhaber fort. Die Fortpflanzungsrate hängt daher von der Anzahl der Territorien ab. Bei hohem Nahrungsangebot können z. B. viele kleine Territorien, bei wenig Nahrung größere, aber weniger Territorien gebildet werden. Dadurch werden die Nachkommenzahl und die Bevölkerungsdichte in Anpassung an die Umwelt reguliert. [...]
Die Einengung eines Territoriums durch Übervölkerung schafft eine Situation, die besondere körperliche und psychische Anforderungen an das Einzelindividuum stellt und es aus dem Gleichgewicht bringt. Diesen Zustand nennt man sozialen Stress. Bei vielen Tierarten treten unter einer Stress auslösenden Einwirkung (Stressor) körperliche Störungen und Verhaltensänderungen auf, die tödlich wirken können." (s. Anm. 4, S. 93)
Die Übereinstimmung des Territorialverhaltens bei Mensch und Tier ist offensichtlich. "N. Tinbergen schreibt dazu: 'Untersuchen wir nun die Hypothese, die ich als die wahrscheinlichste betrachte, dass nämlich der Mensch die tierische Erbschaft des Gruppenterritorialismus immer noch in sich trägt.' Er fährt fort mit der Bemerkung: 'Als geselliger Primat und Jäger muss der Mensch ursprünglich nach dem Prinzip der Gruppenterritorien gelebt haben. Ethologen neigen zu der Ansicht, dass wir noch mit einer Anzahl von Verhaltensmerkmalen unserer Tiervorfahren behaftet sind, die durch verschiedene Erziehungsmaßnahmen nicht ausgemerzt werden können, und dass unser Gruppenterritorialismus eine dieser angestammten Eigenschaften darstellt.'" (s. Anm. 4, S. 122)
Eibl-Eibesfeldt fasst sein Kapitel "Territorialität" folgendermaßen zusammen (s. Anm. 5, S. 481/2): "Menschengruppen grenzen sich territorial voneinander ab. Sie beanspruchen in ihrem Gebiet gewisse Vorrechte und sind bereit, diese notfalls zu verteidigen. Territorialität kam nicht erst mit der Feldbestellung in die Welt. Wir finden sie auch bei Jäger- und Sammelvölkern. Da überdies auch unsere nächsten Primatenverwandten territorial sind, dürfte es sich bei diesem Merkmal um eine stammesgeschichtlich erworbene Disposition handeln. Sie findet kulturell verschiedene Ausdrucksformen, die von den speziellen ökologischen und historischen Bedingungen abhängig sind. Diese betreffen die Form der Abgrenzung, Markierung; die Regeln, nach denen anderen Zutritt gewährt werden kann, nicht aber das Prinzip. Im eigenen Gebiet beansprucht eine Gruppe Vorrechte vor anderen, d. h. Dominanz. Innerhalb der Gruppenterritorien beanspruchen Untergruppen (Familien) und Einzelpersonen ebenfalls Raumbezirke, die sie als ihren Besitz markieren - sei es auf Zeit oder auf Dauer. Unter anderem achtet der Mensch auf die Einhaltung von Individualdistanzen. Territorialität ist ein Ordnungsprinzip, das auf verschiedenen Ebenen sowohl innerhalb der Gruppe als auch zwischen Gruppen dauernde Konflikte vermeiden hilft. Territorialer Besitzanspruch wird in der Regel geachtet."
Dass "territorialer Besitzanspruch [...] in der Regel geachtet" wird - das sind die Friedenszeiten, die "Ausnahmen" von dieser Regel - das sind die Kriegszeiten. Dabei werden die Kriege nicht von den Gruppen, sondern von den Alpha-Männchen der betreffenden Gruppen angezettelt. Schauen wir uns das näher an.
Der einzelne Menschen-Alpha höchster Rangstufe sieht sich als zugehörig zu der Gruppe der anderen Menschen-Alphas höchster Rangstufe und es spielen sich psychologisch in dieser empfundenen Gruppe dieselben Prozesse ab wie in jeder anderen Menschengruppe. Jeder Menschen-Alpha höchster Rangstufe sieht sich in Konkurrenz mit den anderen Menschen-Alphas höchster Rangstufe und vergleicht sich mit ihnen: Welchen sozialen Rang haben die anderen Alphas, wie reich sind sie, über welches Territorium verfügen sie, wie reich sind die Ressourcen dieser Territorien, wie groß ist die jeweilige Population der anderen Gruppen, wie hoch ist das militärische Potenzial der anderen Alphas und damit - wie mächtig sind die anderen Alphas? Und wie in einer Kindergartengruppe spielen sich in dieser empfundenen Gruppe der Menschen-Alphas dieselben sozialen Prozesse ab wie eben in einem Kindergarten:
Schon Kindergartenkinder "verstehen es, die Aufmerksamkeit auf verschiedene Weise auf sich zu lenken. Verbale Selbstdarstellung spielt dabei eine hervorragende Rolle, und zwar bei Jungen und Mädchen in gleicher Weise. [...] Bei der verbalen Selbstdarstellung werden imperative ebenso wie freundliche Äußerungen gemacht. Selbstdarstellung zielt nicht nur auf Dominanz ab. Man gibt sich auch liebenswert-gewinnend. [...] Ranghohe Kinder stellen sich nach den Ferien sehr aktiv dar. Offenbar bedarf es nach längerer Trennung neuerlicher Selbstdarstellung, um den Rang von Neuem zu bestätigen ([...])."
Kinder (im Kindergarten), die Ansehen genießen, "greifen bei Streit schlichtend ein und treten dabei bevorzugt als Beschützer des Schwächeren auf. Sie unterstützen also bevorzugt Verlierer. Während der Zeit allerdings, in der zwei Ranghohe um die Spitzenposition wetteifern, stehen die Emporstrebenden bei Konflikten anderen Ranghohen bei. Sie unterstützen in diesem Falle den Gewinner, anstatt wie sonst den Verlierer. Mit dieser Strategie werben sie um kräftige Freunde. Haben sie so ihre Rangposition gefestigt, dann werden sie wieder zu 'Beschützern'." (s. o.)
Gegenüber der eigenen Gruppe sind die Alphas bestrebt, etwas Besonderes zu sein. Absonderlich, ja, fremdartig zu wirken, muss dabei kein Nachteil sein. Gruppenmitglieder schreiben dem Alpha dann möglicherweise übermächtige geistige oder sonstige Kräfte zu. Auch Alpha-Merkmale des Schrecklichen, Grauenvollen, Schaurigen und Unheimlichen können gegenüber den Gruppenmitgliedern durchaus vorteilhaft sein. Schon der Ausdruck "Ehrfurcht" belegt, dass wir dazu neigen, Achtung auch mit Angst zu verbinden. Herrscher, die Schrecken verbreiten, tragen oft den Beinamen "der Große". Dabei ist es nicht verkehrt, wenn der Alpha auch noch eine erotische Komponente hat, etwa eine elektrisierende Stimme, eine gewisse Liebenswürdigkeit, "Charme" und ein gewinnendes Wesen. Dazu ist ein Alpha bestrebt, stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er sollte eine kraftvolle Lebendigkeit und Sportlichkeit ausstrahlen, imponierend wirken und einen geradezu fanatischen Willen besitzen. (s. o.) - Kann ein Alpha all dies auf die Massen ausstrahlen, so besitzt er jenes "Faszinosum", von welchem der ehemalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger im Jahr 1988 in einer denkwürdigen Rede vor dem Bundestag gesprochen hat.
Wie sind Alphas wirklich?
Sie lieben es zu prahlen, hören sich leidenschaftlich gern reden und natürlich muss dabei ihre Umgebung ehrfürchtig und hingebungsvoll zuhören und damit dem Redenden signalisieren, wie wichtig das ist, was er sagt - auch wenn es die größten Plattitüden sind; so versteht es sich, dass sie es lieben, stets von einer Schar Schmeichler und Lobhudler umgeben zu sein. Sie halten sich für sexuell attraktiv, sie streben mit allen Mitteln nach Macht, Ansehen, Ruhm, Ehre, Geltung, ja, Unsterblichkeit und wollen stets und überall dominant und unter den anderen ranghöchsten Alphas der Größte sein. Sie sind eitel und bis zum Narzissmus selbstverliebt sowie zutiefst von der Außergewöhnlichkeit und Einmaligkeit ihrer Person überzeugt. Statussymbole (Schmuck, Kleidung, Ausstattung des Amtssitzes (Palast, Anzahl der Paläste, Größe des Arbeitszimmers etc.), Automobile, Militärparaden etc.) spielen für sie eine überragende Rolle. Hinzu kommen bei einigen Alphas unverarbeitete ödipale Komplexe aus ihrer Kindheit (Vaterkonflikt) und eine unbezähmbare Gier nach Reichtum, Luxus, Verschwendung, Macht, Sex und anderem. Dabei leben sie in permanenter Angst (Kain-Syndrom) vor Widersachern, Verschwörungen, Anschlägen, vor ihrem Sturz. Ihre Mittel dagegen sind Geheimdienste, eine totale Medienkontrolle, Propaganda, Fake news, Falschinformationen, Terror und Terroranschläge, Sabotage (z. B. Hacker-Angriffe), Killerkommandos, Morde, Gefängnisse, Konzentrationslager, Folter. Oppositionelle lässt man gerne "verschwinden"; sie werden auch gezielt kompromittiert oder man macht sie mittels Fälschungen, Falschaussagen und KI-Einsatz usw. zu gewöhnlichen Kriminellen (Drogenbesitz, Zoll- und Devisenvergehen, Diebstahl, Steuerhinterziehungen, Vergewaltigungen, Pädophilie usw.). In Laboratorien arbeitet man an der Entwicklung perfekter (nicht nachweisbarer) Gifte sowie von Bio- und chemischen Waffen und die Alphas streben - sofern sie diese noch nicht haben - nach der Verfügungsgewalt über Atombomben. Charakterlich entwickeln sie eine Perfektion im Lügen; sie sind skrupel-, rücksichts- und gewissenlos und manche Alphas sind ausgemachte Sadisten.
Nicht alle dieser aufgezählten Merkmale treffen auf alle ranghöchsten Alphas zu; auf die meisten aber viele und auf einige Alphas sehr viele.
Warum und wie geraten sich die ranghöchsten Alphas der Erde in die Wolle? Was sind die Auslöser für Kriege?
Einem Krieg liegt immer eine Aggression zugrunde - ohne Aggression(en) kein Krieg. Es ist deshalb ratsam, zur Beantwortung der Frage zunächst einmal die Wurzeln von Aggressionen zu untersuchen.
Die KI definiert: Aggression ist jedes physische oder verbale Verhalten, das absichtlich darauf abzielt, einer anderen Person oder einem anderen Organismus Schaden oder Schmerz zuzufügen.
Oxford Languages (https://languages.oup.com/google-dictionary-de/) definiert (am 7.9.25):
1. Völkerrecht
rechtswidriger militärischer Angriff auf ein fremdes Staatsgebiet
"feindliche, militärische Aggressionen gegen Nachbarstaaten"
2. Psychologie
durch Affekte ausgelöstes, auf Angriff ausgerichtetes Verhalten des Menschen, das auf einen Machtzuwachs des Angreifers bzw. eine Machtverminderung des Angegriffenen zielt
Die Wurzeln aggressiven Verhaltens liegen in der Zweigeschlechtlichkeit:
Zweigeschlechtlichkeit ist der Zustand, dass es zwei unterschiedliche Arten von Geschlechtern gibt, die sich durch die Produktion von zwei unterschiedlichen Arten von Geschlechtszellen (Gameten: Spermien und Eizellen) unterscheiden: männlich (mit Spermien) und weiblich (mit Eizellen). Diese biologische Zweigeschlechtlichkeit ist bei fast allen Pflanzen und vielen Tieren weit verbreitet und bildet die Grundlage für die sexuelle Fortpflanzung. (KI)
Sexuelle Fortpflanzung heißt: Der weibliche Part lockt, die Männchen wollen sich mit dem weiblichen Part paaren. Und damit sind wir bei den Aggressionen: Schon wenn nur zwei Bewerber um die Paarung da sind, muss "geklärt" werden, welcher von beiden die Paarung vollziehen darf. Diese Entscheidung wird im Tierreich ganz überwiegend "ausgefochten": Die Kontrahenten kämpfen um das Vorrecht der Kopulation. Der Sieger darf, der Verlierer hat das Nachsehen. Und für diesen Kampf brauchen die Individuen aggressives Potenzial. Das heißt, Aggressionen hängen ursächlich mit der Sexualität zusammen. In der Evolution werden somit jene Individuen bei der Fortpflanzung bevorzugt, die - bei gleicher Stärke und Attraktivität - das höhere Aggressionspotenzial besitzen, und somit fördert die natürliche Auslese im Allgemeinen die Aggressiveren. Und das sind dann diejenigen, welche sich bei dem schon oben erwähnten Hauen und Stechen der Männchen um die Macht in der Gruppe und um die damit verbundenen Vorrechte - eben auch bei der Weiblichkeit - durchsetzen.
Gehen wir nun in die Zeit zurück, in welcher die Menschen in Sippen und Stämmen organisiert waren, also zu dem Zustand, welcher bei heute noch existierenden Naturvölkern wie etwa den Yanomami in der venezolanisch-brasilianischen Grenzregion studierbar ist. Zu dieser Zeit war das Leben der Gruppen sehr stark von Angst und Misstrauen geprägt. Warum? Wie Schimpansengruppen besetzen auch damalige Menschengruppen ein Territorium, das ihnen gestattet, all ihre Daseinsgrundfunktionen zu befriedigen wie eine sichere Unterkunft und genügend Nahrung. Dieses Territorium einer Dorfgemeinschaft ist klar umrissen und wird von der Gruppe nicht nur beansprucht, sondern auch verteidigt. Bei Bevölkerungswachstum wird irgendwann der Punkt erreicht sein, an dem das bisherige Territorium nicht mehr ausreicht, um der Gruppe ihre Daseinsgrundfunktionen befriedigen zu können. Entweder die nachgewachsenen "Überzähligen" verlassen das Dorf und dessen Territorium und suchen sich anderswo neues Siedlungsgebiet, oder die Dorfgemeinschaft weitet ihr Territorium aus, um damit über mehr Ressourcen zu verfügen. Geht man davon aus, dass das Territorium einer Dorfgemeinschaft jeweils von entsprechenden Nachbarterritorien anderer Dorfgemeinschaften umgeben ist, so wird das Bevölkerungswachstum unvermeidlich zu Konflikten führen, die in aller Regel kriegerisch ausgetragen werden. Das führt dazu, dass diese Dorfgemeinschaften in ständiger Angst leben, von Nachbarstämmen überfallen und massakriert zu werden. Selbst zeitweiligen Friedensschlüssen und Nichtangriffspakten unter den Nachbarn wird misstraut, es gibt Beispiele von Wortbrüchen und Hinterlist, sodass solche Abmachungen nur sehr bedingt beruhigen.
Fazit: Schon bei den ersten Kriegen in der Geschichte der Menschheit geht es um Territorien; die eine Gruppe versucht der anderen Gruppe Territorium wegzunehmen, also ihr Territorium zu erweitern auf Kosten des Territoriums des Nachbarn. Damit haben wir den Kriegsgrund, welcher in sagen wir einmal 90 Prozent der Kriege die Hauptrolle spielt. Und das hat sich bis heute nicht geändert.
Davon unabhängig sind die jeweiligen Kriegsanlässe und diese können sehr stark von den jeweiligen Charaktereigenschaften und Befindlichkeiten der jeweils an den Kriegen beteiligten Alphas abhängen. Der eine Alpha fühlt sich von einem benachbarten Alpha beleidigt, lächerlich gemacht, verachtet - was auch immer - dem muss eine "Lektion" erteilt werden; Mitglieder der eigenen Gruppe werden von Mitgliedern der benachbarten Gruppe überfallen und getötet - das muss gerächt werden; Mitglieder der benachbarten Gruppe haben sich auf unserem Territorium angesiedelt - da muss entschlossen eingeschritten werden usw. usf.
Als sich die ersten Stadtstaaten bilden, kommt zu dem Territorialaspekt ein weiterer dazu: der Neid. Die Stadtstaaten waren meist Zentren des Handels und wurden reich. Das weckte bei den Habenichtsen der Umgebung Begehrlichkeiten und die Überfälle auf die reichen Städte ließen bei der Plünderung reiche Beute erwarten.
Als Reaktion auf diese kriegerischen Überfälle kam es zu Zusammenschlüssen von Städten, wehrhaftere Städtebünde entstanden.
Die antiken Reiche bereicherten die Liste der Kriegsgründe um den Aspekt des Reichtums und damit der Macht und der Dominanz: Unterworfene Territorien lieferten Sklaven und hatten meist hohe Tribute zu entrichten, was es dem siegreichen Alpha ermöglichte, seine Macht durch ein schlagkräftiges Heer abzusichern. Aber auch bei den Schlachten dieser antiken Reiche ging es immer auch um die Ausweitung des eigenen Territoriums.
Ganz unverblümt wurde das im Zeitalter des Absolutismus von den Alphas als Kriegsziel proklamiert, welche mit ihren unzähligen "Kabinettskriegen" ihr Gebiet mit dem Zugewinn neuer Territorien "abrunden" wollten. So fand der "aufgeklärte" preußische König Friedrich II., dass das an Preußen angrenzende Sachsen das preußische Territorium doch recht hübsch ergänzen würde, fiel mit seiner Armee in Sachsen ein und gliederte es in der Folge in das preußische Staatsgebiet ein. Der Absolutismus war eine Epoche, in welcher der oftmals geradezu krankhafte Geltungsdrang der vielen "Potentaten" neben der Aussicht auf territorialen Zugewinn als Kriegsgrund in den Vordergrund trat.
Im Zeitalter des Kolonialismus war das Kriegsziel des territorialen Zugewinns (Kolonien mit ihren reichen Ressourcen) so offensichtlich, dass man darüber weiter nichts mehr zu schreiben braucht.
Aber selbst Bismarck, der sich ausdrücklich nicht an der Jagd nach immer neuen Kolonien beteiligte, verleibte 1871 dem neu entstandenen Deutschen Reich unter Führung des preußischen Alphas das französische Elsass und das französische Lothringen ein. - Ein siegreicher Krieg musste eben doch auch - obwohl das Bismarck'sche Kriegsziel die Gründung eines Deutschen Reiches unter Preußens Führung war - unbedingt auch territorialen Zugewinn bringen - sonst war das kein gewonnener Krieg.
Und es war eben der erklärte Wille der französischen Alphas, diese verlorenen Territorien wieder zurück zu gewinnen, welcher mithalf, das Pulverfass, welches dann im August 1914 explodierte, zu füllen.
Im Gefolge des Ersten Weltkrieges kam es dann zu umfangreichen "Arrondierungen": Grenzen wurden neu gezogen, Reiche zerschlagen, Territorien neu verteilt, Staaten neu gegründet. Deutschland verlor etwa 13 Prozent seines Territoriums - darunter Elsass und Lothringen - und die Deutschen fühlten sich unter anderem deshalb ungerecht behandelt. 1923 schrieb ein gewisser Adolf Hitler im Gefängnis ein Buch, "Mein Kampf", in dem er für Deutschland wesentlich mehr "Lebensraum" forderte. Es lohnt, sich seine "Argumentation" einmal im Originaltext anzuschauen[44]:
S. 728
"Die Außenpolitik des völkischen Staates hat die Existenz der durch den Staat zusammengefassten Rasse auf diesem Planeten sicherzustellen, indem sie zwischen der Zahl und dem Wachstum des Volkes einerseits und der Größe und Güte des Grund und Bodens andererseits ein gesundes, lebensfähiges, natürliches Verhältnis schafft.[...]
Nur ein genügend großer Raum auf dieser Erde sichert einem Volke die Freiheit des Daseins."
S. 739
"Demgegenüber müssen wir Nationalsozialisten unverrückbar an unserem außenpolitischen Ziele festhalten, nämlich dem deutschen Volke den ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern."
S. 741
"Das Recht auf Grund und Boden kann zur Pflicht werden, wenn ohne Bodenerweiterung ein großes Volk dem Untergang geweiht erscheint."
S. 150
"In der Größe des Wohnsitzes eines Volkes liegt allein schon ein wesentlicher Faktor zur Bestimmung seiner äußeren Sicherheit. Je größer die Raummenge ist, die einem Volk zur Verfügung steht, um so größer ist auch dessen natürlicher Schutz; denn noch immer ließen sich militärische Entscheidungen gegen Völker auf kleiner zusammengepresster Bodenfläche in schnellerer und damit aber auch leichterer und besonders wirksamerer und vollständigerer Weise erzielen, wie dies umgekehrt gegen territorial umfangreiche Staaten möglich sein kann. In der Größe des Staatsgebietes liegt damit immer noch ein gewisser Schutz gegen leichtfertige Angriffe, da ein Erfolg dabei nur nach langen, schweren Kämpfen zu erzielen ist, mithin das Risiko eines übermütigen Überfalles zu groß erscheinen wird, sofern nicht ganz außerordentliche Gründe vorliegen. Daher liegt schon in der Größe des Staates an sich ein Grund zur leichteren Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit eines Volkes, während umgekehrt die Kleinheit eines solchen Gebildes zur Inbesitznahme geradezu herausfordert."
S. 152 - 154
"Man darf in diesem Falle [wo man vermeintlich zu wenig "Lebensraum" abbekommen habe] sich nicht durch politische Grenzen von den Grenzen des ewigen Rechts abbringen lassen. Wenn diese Erde wirklich für alle Raum zum Leben hat, dann möge man uns also den uns zum Leben notwendigen Boden geben.
Man wird das freilich nicht gerne tun. Dann jedoch tritt das Recht der Selbsterhaltung in seine Wirkung; und was der Güte verweigert wird, hat eben die Faust sich zu nehmen [= Krieg um "Lebensraum"]. [...] der natürlichen Entschlossenheit zum Kampfe für das eigene Dasein verdanken wir die beiden Ostmarken des Reiches [...]. [...] Für Deutschland lag [...] die einzige Möglichkeit zur Durchführung einer gesunden Bodenpolitik nur in der Erwerbung [= Eroberung] von neuem Lande in Europa selber. [...]
Wollte man in Europa Grund und Boden, dann konnte dies im großen und ganzen nur auf Kosten Russlands geschehen, dann musste sich das neue Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, um mit dem deutschen Schwert dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu geben."
Es ist schon bemerkenswert, dass man schon ab dem 18. Juli 1925 hätte nachlesen können, was dann ab 1939 tatsächlich von dem Alpha Hitler in die Tat umgesetzt wurde. Hätten das die Alphas doch wenigstens der Entente und der USA nach dem 30. Januar 1933 gelesen und - vor allen Dingen - ernst genommen, wäre der Welt vielleicht viel Leid erspart geblieben.
Nun, Hitler-Deutschland verlor seinen "Kampf" um "Lebensraum" und verlor in der Folge weitere ca. 20 Prozent seines Staatsgebietes von 1914 - und Deutschland gibt es wider Hitlers Theorien heute noch, besitzt nahezu 15 Millionen mehr Einwohner als nach dem 2. Weltkrieg und dem Land und den Leuten geht es schon seit 75 Jahren (Stand 2025) weitgehend gut.
Während des 2. Weltkriegs entwickelten die USA die apokalyptische Atombombe, die Sowjetunion zog rasch nach. Bald nach dem 2. Weltkrieg zerfiel die Welt im Wesentlichen in zwei Blöcke, dem kapitalistisch demokratischen "Westen" und dem kommunistisch totalitären Ostblock. Die Alphas standen sich feindlich gegenüber, weil die Ideologie jeder Seite der anderen Seite den Untergang prophezeite - und wünschte; es begann die Zeit des Kalten Krieges, der öfter hart an der Kante des Umschlags in einen heißen, atomaren Krieg entlangschrammte. Aber - die Aussicht, dass ein atomarer Krieg zwischen den Blöcken das Ende der menschlichen Zivilisation bedeuten würde, bescherte - so paradox es klingt - Europa eine relativ lange Zeit des Friedens; ein Gleichgewicht des Schreckens verhinderte, dass die Alphas erneut aufeinander losprügelten.
Das änderte sich erst, als 1989 die Sowjetunion praktisch pleite war und der sowjetische Staatschef Gorbatschow so ehrlich war, den Offenbarungseid zu leisten. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken löste sich auf, die einzelnen Republiken der bisherigen Union strebten vehement aus dem bisherigen russischen Zwangskorsett und erklärten ihre Unabhängigkeit. Als einziges Zugeständnis an den bisherigen Oberherrn Russland erklärten die meisten ehemaligen Sowjetrepubliken, weiterhin als Gruppe der Unabhängigen Staaten (GUS) zusammenarbeiten zu wollen.
Unter dem Nachfolger Gorbatschows, Boris Jelzin, wurde die Entlassung der ehemaligen Sowjetrepubliken in die Unabhängigkeit in einer völkerrechtlich verbindlichen Form schriftlich besiegelt. Auch die bisherigen Vasallenstaaten der Sowjetunion schüttelten ihr bisheriges Joch ab und erlangten ihre volle politische Souveränität.
Was war geschehen? Ein Imperium war zerfallen - von selbst - ohne Krieg. Der kleine KGB-Offizier Putin sah dies mit Schrecken - und konnte es nicht verhindern. Für ihn waren Gorbatschow und Jelzin Verräter, und als ihm das Machtvakuum, das während Jelzins Amtszeit zeitweilig entstanden war, die Gelegenheit gab, die Position des Alphas in Russland einzunehmen, nutzte er diese und wurde Präsident der Russischen Föderation. Sein Ziel war von Anfang an - auch wenn er dies nicht verlauten ließ -, das zerfallene russische Imperium wieder herzustellen. Zunächst versuchte er, die Staaten Mitteleuropas auf friedliche Weise auf diplomatischen Wegen wieder an die Seite Russlands zu locken, als dies jedoch nicht gelang (tatsächlich suchten fast alle mitteleuropäischen Staaten des ehemaligen Ostblocks, so schnell wie möglich unter den Schutzschirm der NATO zu kommen), ging er daran, die Wiederherstellung des russischen Reiches in den Grenzen von 1989 mit kriegerischen Mitteln zu betreiben. Dabei stand strategisch vor allen Dingen die Ukraine im Fokus. In Putins Augen ist die Ukraine ein integraler Bestandteil Russlands, unverhandelbarer Teil des russischen Territoriums. Zunächst versuchte Putin mit übelsten Machenschaften (Giftanschlag auf den ukrainischen Präsidenten Juschtschenko im Jahr 2004), in der Ukraine mit dem ukrainischen Präsidenten Janukowytsch ein Regime zu installieren, welches sich freiwillig wieder in die Arme Russlands begeben würde. Als dies misslang (Maidan-Revolution 2014), griff Putin zum Mittel der militärischen Gewalt, um die Ukraine wieder heim ins Reich zu holen: 2014 überfielen russische Truppen die ukrainische Halbinsel Krim und besetzten sie, große Gebiete des ostukrainischen Donbass wurden erobert, im Februar 2022 fielen russische Truppen in der Ukraine ein, der russisch-ukrainische Krieg begann.
Wir sind in der Jetzt-Zeit angelangt. Schauen wir uns die Alphas an, die heute auf dem geopolitischen Schachbrett stehen, und betrachten ihre Zielsetzungen. Da ist zunächst der amerikanische Präsident Donald Trump, ein 79 Jahre alter Mann, der den USA Kanada und Grönland einverleiben möchte und die Panamakanalzone zurückhaben will; diese Territorialansprüche trägt er bisher nur verbal vor, aber was (noch) nicht ist, kann ja noch kommen.
Dann ist da Chinas Alpha Xi Jinping. Laut https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/die-
neue-weltordnung-des-xi-jinping,UvvR63a vom 7.9.2025 (06:58 Uhr) "stellt [er] die Menschheit vor 'die Wahl zwischen Frieden und Krieg'. Er fordert kategorisch eine 'neue Weltordnung', in der die USA ihre Dominanz verlieren". Er möchte der Volksrepublik China die Republik China (Taiwan) und ca. 80 Prozent des Südchinesischen Meeres einschließlich zugehöriger Inseln und Riffe einverleiben.
Der Alpha Putin pochte und pocht darauf, dass ihm als Herrscher eines Imperiums derselbe Rang zukommt wie dem US-amerikanischen Präsidenten Trump und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Durch das Protokoll seines Empfangs in Alaska am 15.8.25 durch Trump hat dieser faktisch dessen Gleichrangigkeit anerkannt. Putins territorialen Forderungen lassen sich einfach formulieren: Er möchte alle Gebiete und Einflusszonen, welche Russland durch den Zerfall der Sowjetunion verloren hat, wiederhaben.
Auch nachgeordneten Alphas geht es um territoriale Zugewinne: So plant beispielsweise der venezolanische Alpha Maduro die Annexion des benachbarten guyanischen Essequibo-Gebietes, welches fast zwei Drittel des aktuellen Staatsgebiets von Guyana umfasst. Pakistan erhebt Anspruch auf die indische Kaschmir-Region und Japan möchte von Russland die südlichen Kurilen-Inseln zurückhaben.
Eine Grundfrage der Geschichtsphilosophie: Lassen sich Kriege aus der Menschheitsgeschichte verbannen?
Man muss sich das einmal vorstellen: Es sind Tausende von Jahren vergangen, seit die ersten menschlichen Dorfgemeinschaften Kriege um Territorien geführt haben, und worum geht es den Alphas heute? Um Territorien - immer noch und immer wieder - wie bei den Schimpansen in Afrika! Was sagt uns das? Dieses Ringen der verschiedenen Gruppen und ihrer Alphas um Territorien über die gesamte menschliche Geschichte hinweg muss in den Primaten-Genen festgeschrieben sein - anders lässt sich das nicht erklären. D. h. die Menschheit bewegt sich seit ihrer Existenz in dem engen Käfig ihrer genetischen Determiniertheit.
Welche Chancen haben wir also, Kriege mit all ihren schrecklichen Folgen irgendwann einmal endgültig aus der weiteren Menschheitsgeschichte verbannen zu können?
Die niederschmetternde Antwort: Keine!
Und das wirft ein Licht auf die Frage, welchen Charakter der Verlauf der Menschheitsgeschichte hat, womit wir auf dem Gebiet der Geschichtsphilosophie sind.
Nahezu jeder große Dichter und Denker hat sich auch diese Frage gestellt, sodass wir eine Fülle von geschichtsphilosophischen Theorien haben. So heißt es beispielsweise im von Marx und Engels verfassten Kommunistischen Manifest, die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft sei eine Geschichte von Klassenkämpfen, und Hitler postulierte, alles weltgeschichtliche Geschehen sei nur die Äußerung des Selbsterhaltungstriebs der Rassen[45].
Werden diese geschichtsphilosophischen Feststellungen der realen Abfolge der geschichtlichen Ereignisse und Prozesse tatsächlich gerecht?
[46]Tatsache ist, dass man den Verlauf der Menschheitsgeschichte auch ganz anders deuten kann. Rousseau beispielsweise war der Ansicht, dass der ursprüngliche Naturzustand der Menschen der Idealzustand gewesen sei und dass des Menschen Entwicklung bis auf die Höhen der höfischen Kultur des damaligen Frankreich eigentlich ein Abstieg, eine Verfallsgeschichte darstelle, denn die Kultur sei nur noch Künstelei, Manieriertheit und die ursprüngliche Gleichheit der Menschen sei krassester Ungleichheit gewichen. Dieser Entartungsprozess könne nur rückgängig gemacht werden, wenn durch einen neuen, gerechten Gesellschaftsvertrag die moderne Zivilisation wieder auf "ein mittleres wissenschaftliches, technisches und ökonomisches Niveau [...] zurückgeschraubt"[47] werde.
Herder baut seine Geschichtsphilosophie auf dieser rousseauschen Sichtweise auf. Herder denkt in der Kategorie von Völkern, Nationen. Am Beispiel der Sprachentwicklung macht er seine geschichtsphilosophische Sichtweise deutlich[48]: "'Eine Nation in ihrem ersten wilden Ursprunge starret, wie ein Kind, alle Gegenstände an; Schrecken, Furcht und alsdenn Bewunderung sind die Empfindungen, deren beide allein fähig sind, und die Sprache dieser Empfindungen sind Töne, - und Geberden. [...] Entsetzen, Furcht und Verwunderung verschwand allmählich, da man die Gegenstände mehr kennen lernte; man ward mit ihnen vertraut und gab ihnen Namen [...] die Lebens- und Denkart legte ihr rauschendes Feuer ab [...].' (HW I, 181 f.) Das jugendliche Sprachalter ist poetisch; der Akzent wird rhythmisiert, die Affekte werden zu Bildern, 'die Sprache war sinnlich, und reich an kühnen Bildern: sie war noch ein Ausdruck der Leidenschaft, sie war noch in den Verbindungen ungefesselt' (HW I, 183). Das männliche Alter der Sprache ist prosaisch: Der poetische Rhythmus wird zum Wohlklang der Prosa heruntergestimmt. '[...] je mehr [man] die Inversionen abschaffet, je mehr bürgerliche und abstrakte Wörter eingeführet werden, je mehr Regeln eine Sprache erhält: desto vollkommener wird sie zwar, aber desto mehr verliert die wahre Poesie.' (HW I, 183) Dennoch hat sich die Sprache hier noch nicht vollständig von der Poesie entfernt, das ist das Alter 'der schönen Prose, die den Reichtum ihrer Jugend mäßig brauchte' (HW I, 184) Erst im hohen Alter entwickelt sich die Prosa zur Vollkommenheit in einer streng kodierten Sprache, die auf Richtigkeit abzielt. 'Das hohe Alter weiß statt Schönheit bloß von Richtigkeit [...]. Dies ist das philosophische Zeitalter der Sprache.' (HW I, 184)"
Entsprechend interpretiert Herder die Geschichte: Während ein Reich, eine Nation auf dem Höhepunkt seiner Macht sei, trete aus dem Dunkel der Geschichte ein urwüchsiges, wildes Volk, das sich allmählich zu einer innerlich starken Kulturnation entwickle. Während die Kultur des bisher mächtigen Reiches nur noch aus perfektionistischer Künstelei und Manieriertheit bestehe und die Zeichen des Abstiegs und Verfalls immer deutlicher würden, erreiche die jugendliche Nation ihre kulturelle Blüte und verdränge schließlich das alte, absterbende Reich. Irgendwann hätte auch diese jugendliche Nation ihre Reifezeit erreicht und würde in das Stadium der Stagnation und des Verfalls kommen, während zugleich erneut aus dem Dunkel der Geschichte ein urwüchsiges, wildes Volk mit ungebändigter Kraft hervortrete... Für Herder ist also die Geschichte eine Abfolge von entstehenden, reifenden und absterbenden Reichen, die jeweils von einem "Newcomer" verdrängt würden.
Nach diesem Exkurs in die Welt der Geschichtsphilosophie stellt sich die Frage, wer die geschichtliche Entwicklung richtig interpretiert. Hat Marx recht, hat Rousseau recht, hat Herder recht oder hat keiner recht? Geht es mit den Menschen aufwärts, geht es mit ihnen abwärts oder drehen wir uns historisch stets nur im Kreis? Ergibt am Ende die Menschheitsgeschichte gar keinen Sinn? Ist alles nur eine Verkettung von Zufälligkeiten ohne Sinn, ohne Ziel?
Am wenigsten recht von allen dreien hatte Marx. Seine Interpretation der Geschichte wurzelt ganz offensichtlich in der jüdischen Religion, in welcher auf das Niederkommen Gottes auf die Erde gewartet und der Beginn seines Reiches auf Erden, der Anbruch des Paradieses erwartet wird; bei Marx, der den Idealismus bekanntlich vom Kopf auf die Füße gestellt hat, ist es das Arbeiterparadies, das kommen soll. Marx zwängt den tatsächlichen Verlauf der Menschheitsgeschichte in ein künstliches Schema um dieses Finales willen. Weder hat die Menschheit je in einem paradiesischen Zustand gelebt, weder wurden die Sklavenhalter durch eine revolutionäre Erhebung der Sklaven gestürzt, noch endete der Feudalismus durch eine erfolgreiche Revolution der leibeigenen Bauern. Selbst die Oktoberrevolution in Russland war nicht das Werk der Arbeitermassen, sondern der Putsch einer zum Wagnis entschlossenen Kaderpartei "leninschen Typs", welche die Gunst eines historischen Augenblicks in der russischen Geschichte erkannte und erfolgreich nutzte. Alle Vorhersagen von Marx sind nicht eingetroffen. Weder führte der tendenzielle Fall der Profitrate zum Zusammenbruch des Kapitalismus, noch schritt die Verelendung der Proletarier stetig voran, sodass sie schließlich gar nicht anders konnten, als die Kapitalisten in einer sozialistischen Revolution zu stürzen. Was tatsächlich kam, war die Diktatur, die zwar eine Diktatur reinsten Wassers war, aber keine des Proletariats, sondern eine des Herrn Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin, und seines repressiven Gewaltapparates über die gesamte Bevölkerung der Sowjet-"Republiken".
Rousseaus Kritik an der zeitgenössischen Gesellschaft war zwar zutreffend, jedoch sah er den Urzustand des Menschen durch eine rosarote Brille; seine edlen Wilden haben weder etwas mit der Lebenswirklichkeit der Urmenschen noch mit jener der meisten Eingeborenengruppen seiner Zeit zu tun. Auch bleibt sein Gesellschaftsvertrag eine hübsche Idee, aber eben auch nicht mehr.
Den tatsächlichen Triebkräften der Menschheitsgeschichte am nächsten kommt von den dreien Herders Geschichtsphilosophie, wenn er den Verlauf der Geschichte als Abfolge von Reichen begreift, wobei diese Reiche jeweils eine Entwicklung durchlaufen, die über Etablierung, Konsolidierung und die Entfaltung einer großen kulturellen Blütezeit schließlich in Erstarrung und Niedergang endet.
Um die Menschheitsgeschichte zutreffend deuten zu können, müssen wir wieder das genetische Erbgut des Menschen ins Auge fassen. Wie wir oben gesehen haben, unterscheidet sich das Territorialverhalten von Trockennasenprimaten im Prinzip nicht von dem anderer Tiere.
Verknüpfen wir nun dieses Territorialverhalten des Menschen mit dem oben schon konstatierten Rangordnungsverhalten innerhalb von Menschengruppen, so kommen wir den Triebkräften der Menschheitsgeschichte auf die Spur. In jeder Gruppe beansprucht einer die Führungsposition, boxt sich an die Spitze und verteidigt als Alpha seine Vorrangstellung. Wie in jeder Primatengruppe üben die Alphas die Dominanz über alle Mitglieder der Gruppe aus; sie beanspruchen für sich die ihrem Rang "zustehenden" Vorrechte und achten darauf, dass das Gruppenterritorium nicht von fremden Alphas verletzt wird. Unter den Alphas kommt es zu Machtvergleichen, denn Alphas, die sich rangmäßig anderen Alphas für ebenbürtig halten, treten in Konkurrenz untereinander. Diese Alphas verhalten sich also wieder wie die Mitglieder einer Gruppe und es setzt ganz naturwüchsig das Bestreben ein, in dieser Gruppe die Führungsposition zu erringen. Dies führt zu Rivalitäten der Alphas untereinander, die sowohl zu temporären Allianzen als auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen können. Die Ursachen, die zu Konflikten unter den Alphas führen, können vielfältiger Art sein; es können vermeintliche oder tatsächliche Verletzungen der Gruppenterritorien sein, vermeintliche oder tatsächliche Übergriffe auf reklamierte Mitglieder der eigenen Gruppe, "berechtigte" oder vermeintlich "berechtigte" Territorialansprüche gegenüber den Territorien anderer Alphas, vermeintliche oder tatsächliche Beleidigungen, Herabsetzungen oder Demütigungen eines Alphas durch andere Alphas, es können aber auch ganz einfach psychopathische Reflexe von psychopathischen Alphas sein; Gründe, um in kriegerischen Konflikt mit anderen Alphas zu geraten, finden sich zuhauf und wenn keine vorhanden sind, schafft man sie sich eben selbst; wichtig für den Alpha ist nur, dass er den Anlass für eine kriegerische Auseinandersetzung mit einem anderen Alpha oder mehreren anderen Alphas den Mitgliedern seiner eigenen Gruppe so "verkauft", dass diese zu der Überzeugung gelangen, der andere Alpha oder dessen Gruppe bedrohe die legitimen Interessen oder gar den Bestand der eigenen Gruppe.
Womit hat Putin seinen völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine gerechtfertigt? Die Ukraine sei schon immer in der russischen Geschichte ein integraler Bestandteil Russlands gewesen und in der Ukraine begingen die Ukrainer an den im Lande lebenden Russen ein Genozid. Putin bedient sich hier ganz derselben Stereotype, wie sie bereits Hitler verwendet hat: Das Territorium Polens sei vor dem (Ersten) Weltkrieg integraler Bestandteil des Deutschen Reiches gewesen und diesem durch einen schändlichen (Versailler) Vertrag abgenommen worden. Die Tschechen würden an den "Volksdeutschen" im Sudetenland ein Genozid verüben. Fakt ist, dass das Verhältnis des Russischen Reiches zur Ukraine schon immer das eines Imperiums gegenüber einer Kolonie war und dass die Ukrainer dabei schon immer von ihrem russischen "Mutterland" unterdrückt und ausgebeutet wurden. So sollte zum Beispiel nie vergessen werden, dass Stalin die widerborstigen Ukrainer durch eine Hungersnot, die Stalin gezielt als Strafmaßnahme einsetzte, um einige Millionen ukrainischer "Brüder" und "Schwestern" dezimiert hat.[49]
An der Spitze des chinesischen "Newcomer"-Imperiums steht der Alpha Xi Jinping mit seinen Weltmachtansprüchen. In orwellscher Manier unterdrückt er in China jede oppositionelle Regung, Formosa soll heim ins Reich geholt, der darauf befindliche Staat Taiwan liquidiert werden. Widerspenstige Ethnien werden gnadenlos "sinisiert" (zu Chinesen gemacht); probate Mittel für Xi Jinping dafür sind eine Totalüberwachung, Inhaftierung, Folter, Gehirnwäsche, kultureller Genozid (Auslöschung der nationalen Identität) und das Abdrängen der einheimischen Bevölkerung in einen Minderheitenstatus in ihrem eigenen Siedlungsterritorium durch forcierte Siedler-Kolonisierung (immer mehr Han-Chinesen werden gezielt von der chinesischen Kolonialmacht z. B. in Tibet und Ost-Turkestan ("Uiguren") angesiedelt und dadurch die Tibeter und "Uiguren" in die demographische Minderheit gedrängt).
Betrachtet man also - wie oben ausgeführt - die Menschheitsgeschichte als die Geschichte von Rivalitäten unter den Alphas unterschiedlicher Trockennasenprimatenhorden, dann ist man sehr, sehr nahe an der Realität. Auch Haffner bekennt[50]: "Dass die Welt unvollkommen ist, voller Kampf, Not und Leid, auch die Staatenwelt, die gesprenkelt ist von Argwohn, Feindschaft, Furcht und Krieg - wie wahr ist das, und wie recht haben die, die sich darüber nichts vormachen!"
Marx und Engels räumten der Entwicklung der Produktionsmittel in ihren Schriften einen hohen Stellenwert ein, tatsächlich aber ist die Entwicklung der Waffen - bis hin zu den heutigen nuklearen Massenvernichtungswaffen - von vielleicht noch viel größerer Bedeutung für die Menschheitsgeschichte. Mit den Produktionsmitteln erzeugen die Arbeiter die materiellen Werte der unterschiedlichen Trockennasenprimatenhorden, mit den Waffen sorgen die Alphas für die Vernichtung dieser materiellen Werte - mitsamt der Arbeiter.
Ausblick
Und nun? Was machen wir nun mit der Trockennasenaffenbande Mensch? Umerziehen lassen sie sich nicht, das hieße, man wollte aus einer Affenhorde eine friedlich vor sich hin grasende Kuhherde machen. Wir haben unser Programm und danach ticken wir. Das war schon in der Steinzeit so, bei den Assyrern, Babyloniern, Griechen, Römern, Chinesen... - das ist heute so und das wird morgen so sein. Reiche entstehen und Reiche vergehen, Machthaber steigen auf und Machthaber stürzen; die Geschichte - doch nur ein sich immer wiederholender Kreislauf?
Die drei obersten Alphas stehen auf dem Schachbrett. Das "Spiel" - der Krieg - hat bereits begonnen. Putin, der übelste Drecksack unter den drei Figuren, ist der intelligenteste und zugleich der aggressivste. Xi Jinping - auch nicht gerade dumm - stimmt die chinesische Bevölkerung bereits auf seine kommenden Waffengänge um die globale Vorherrschaft ein. Trump, ein eitler, selbstverliebter Dummkopf, ist gerade dabei, in dieser Partie um die Dominanz die bisherige Vormachtstellung der USA zu verspielen.
Anmerkungen
1. Untertitel des Buches "Unsere nächsten Verwandten" von Roger Fouts (und Stephen Turkel Mills), München: Limes, 1998
2. KI-Bezug:
https://www.mpg.de/13293982/0404-evan-019609-effektives-
konfliktmanagement-bei-maennlichen-schimpansen#:~:text=
Die%20aktuellen%20Ergebnisse%20deuten%20also,%E2%80%9C
https://www.bazonline.ch/bei-schimpansen-und-maennern-
geht-es-staendig-um-status-269548830293
https://www.mpg.de/11692490/schimpansen-verhindern-
buendnisse#:~:text=St%C3%B6rung%20bei%20der%20Fellpflege
&text=%E2%80%9EWir%20haben%20herausgefunden%2C%20dass%
20bei,k%C3%B6nnten%E2%80%9C%2C%20f%C3%BCgt%20Mielke%20hinzu.
http://www.chimpanzoo.org/cards/chapter%2010.html#:~:
text=Dominance%20displays%20occur%20when%20a,larger%
20and%20his%20face%20meaner.
https://www.derbund.ch/bei-schimpansen-und-maennern-
geht-es-staendig-um-status-269548830293
https://www.wwf.de/themen-projekte/artenlexikon/schim
panse#:~:text=Zu%20den%20nat%C3%BCrlichen%20Feinden%
20der,beide%20Arten%20friedlich%20nebeneinander%20fressen.
3. Maler-Sieber, Gisela: Das Verhalten des Menschen. In der Reihe: Aktuelles Wissen (hrsg. v. Rüdiger Proske). Gütersloh, Berlin: Bertelsmann Lexikon-Verlag, 1976, S. 197
4. Danzer, Albert: Verhalten. Stuttgart: Metzler, 1977/1979, 2. Auflage, S. 94
5. Eibl-Eibesfeldt, Irenäus: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriss der Humanethologie. Weyarn: Seehamer, 3. Auflage, S. 423
6. Nach: https://www.dw.com/de/drei-frauen-erneuern-
bel%C3%A4stigungsvorw%C3%BCrfe-gegen-donald-trump/a-
41750247 (27.4.21)
7. Martin, Wolfgang: Reise durch das Meer des Leids. Eine Geschichte der Sehnsucht nach dem Paradies. Berlin: Selbstverlag, 2018, S. 78
8. s. Anm. 3, S. 209
9. s. Anm. 5, S. 427
10. s. Anm. 5, S. 431/2
11. s. Anm. 5, S. 445
12. s. Anm. 5, S. 437
13. In: "Abstieg der Parteiendemokratie" von Hubert Kleinert (https://www.bpb.de/apuz/30270/abstieg-
der-parteiendemokratie?p=all (24.4.21))
14. Der Machtaspekt. Ein kritischer Beitrag zur Alltagserfahrung. Von Steffen M. Diebold (https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/
bitstream/handle/10900/47229/pdf/Diebold_S_M__
Der_Machtaspek.prn.pdf?sequence=1&isAllowed=y (27.4.21))
15. s. Anm. 5, S. 443
16. s. Anm. 3, S. 201
17. s. Anm. 5, S. 425
18. s. Anm. 14
19. s. Anm. 14
20. https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Wladimi
rowitsch_Putin#Aufstieg_in_Moskau_und_Plagiatsvorw%
C3%BCrfe (1.5.21)
21. https://de.wikipedia.org/wiki/Zerfall_der_Sowjetunion (1.5.21)
22. s. Anm. 20
23. https://www.welt.de/politik/ausland/article175141834/
Vergifteter-Juschtschenko-Ich-kenne-die-Antwort-aber-ich-
kann-sie-nicht-aussprechen.html (1.5.21)
24. https://de.wikipedia.org/wiki/Republik_Moldau#Geschichte (1.5.21)
25. https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_in_der_Ukraine_seit_2014 (1.5.21)
26. https://rp-online.de/politik/ausland/diese-putin-
gegner-starben-einen-gewaltsamen-tod_bid-9207385 (1.5.21)
27. https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-
opposition-mordfaelle-gift-1.5005085 (1.5.21)
28. s. Anm. 26
29. s. Anm. 27
30. s. Anm. 26
31. s. Anm. 27
32. https://de.wikipedia.org/wiki/Giftanschlag_auf_Alexei_Nawalny (1.5.21)
33. Nach: Martin, Wolfgang: Deutsche Geschichte konkret. Bd. 3. Berlin: Selbstverlag, S. 159/160
34. https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_
88270306/russland-mord-und-kindesmissbrauch-so-geht-
putin-gegen-andersdenkende-vor.html (1.5.21)
35. https://www.sueddeutsche.de/politik/tschechien-
russland-prag-moskau-geheimdienst-munitionslager-gru-
anschlaege-waffenhaendler-1.5269408 (2.5.21)
36. Nach: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-
04/hackerangriff-usa-regierung-russland-diplomaten-
ausweisung (2.5.21)
37. https://www.tagesschau.de/inland/anzeige-reporter-
ohne-grenzen-kronprinz-bin-salman-101.html (2.5.21)
38. https://de.wikipedia.org/wiki/Polizeistaat (2.5.21)
39. s. Anm. 38
40. Orwell, George: 1984. Frankfurt am Main, Berlin: Ullstein, Juli 1989, S. 265/6 und 270
41. s. Anm. 14
42. Nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Reichskanzlei (3.5.21)
43. https://de.wikipedia.org/wiki/Mafia#Mafia-Staat (4.5.21)
44. Hitler, Adolf: Mein Kampf. München: Franz Eher Nachf., 1943 (785. - 789. Auflage)
45. Beides zitiert nach: Haffner, Sebastian: Anmerkungen zu Hitler. München: Kindler, 197823, S. 109
46. Das Folgende nach: Martin, Wolfgang: Weltbilder, Ideologien, Verschwörungstheorien - eine Blütenlese menschlicher Dummheit. Berlin: Martin, Wolfgang, 20232, S. 133 - 144
47. Rohbeck, Johannes: Geschichtsphilosophie zur Einführung. Hamburg: Junius, 2004, S. 41
48. Heise, Jens: Johann Gottfried Herder zur Einführung. Hamburg: Junius, 20062, S. 18/9
49. https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor (12.9.22): "Josef Stalin verfolgte das politische Ziel, den ukrainischen Freiheitswillen zu unterdrücken und die sowjetische Herrschaft in der Ukraine zu festigen. Die Bolschewiki waren bereits zuvor radikal gegen die ukrainische Intelligenzija und den ukrainischen Klerus vorgegangen. Zwischen 1926 und 1932 wurden durch staatlichen Terror in der Sowjetunion 10.000 Kleriker ermordet. Allein im Jahr 1931 wurden mehr als 50.000 Intellektuelle nach Sibirien deportiert, darunter die 114 wichtigsten Dichter, Schriftsteller und Künstler des Landes. Danach wandten sich die Bolschewiki nun gegen die Bauernschaft, die sich weiterhin hartnäckig der Kollektivierung und Umerziehung widersetzte. Im Sinne einer Russifizierung sollte die ukrainische Kultur ausgemerzt werden, so dass nur noch eine sowjetische Kultur übrig bliebe.
Der Holodomor [Tötung durch Hunger] begann mit zwei Missernten in den Jahren 1931 und 1932. Trotz des Hungers der Landbevölkerung erhöhten die Parteikader die Abgabenquote der Bauern auf 44 Prozent. Während im Jahr 1931 noch 7,2 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine requiriert wurden, sank dieser Wert trotzdem auf 4,3 Millionen Tonnen im Jahr 1932. Das Getreide wurde größtenteils zur Devisenbeschaffung auf dem Weltmarkt verkauft. Die Einnahmen wurden zur Industrialisierung der sowjetischen Wirtschaft und zu Rüstungszwecken genutzt.
Nach der Historikerin Anne Applebaum entschied Stalin im Herbst 1932, die Hungerkrise gezielt gegen die Ukraine zu nutzen. Die Grenzen wurden geschlossen, so dass Hungerflüchtlinge nicht ausreisen konnten. Im Jahr 1932 erhielt Stanislaw Redens (Leiter der ukrainischen GPU und Schwager von Stalins Ehefrau Nadeschda Allilujewa) zusammen mit dem Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU), Stanislaw Kossior, die Aufgabe, als Bestandteil der Kollektivierung einen Plan zu entwickeln, um die "Kulaken und die petljurschen Konterrevolutionäre" zu liquidieren. Zweitausend Kolchosvorsitzende wurden daraufhin verhaftet. Als im Januar 1933 das Getreidesoll nicht erreicht war, löste man Redens in der Ukraine ab.
Am 28. November 1932 beschloss das Politbüro der KPU unter Wjatscheslaw Molotow, dem späteren sowjetischen Außenminister, als Bevollmächtigtem von Generalsekretär Stalin, die Verhängung von "Naturalienstrafen" und die Einführung von "Schwarzen Listen" gegen opponierende Bauern. In der Folge wurden die Lebensmittelforderungen an die Bauern drastisch forciert. In den Dörfern wurden darüber hinaus Haushaltsgegenstände wie Seife oder Petroleum konfisziert. Bolschewistische Brigaden suchten nach versteckten Lebensmitteln. Dörfer wurden systematisch ausgeplündert. In der Folge von Strafabgaben verloren viele Bauernfamilien ihren gesamten Besitz und endeten, um Essen bettelnd, in den Städten. In der Bevölkerung kam es zu Kannibalismus.
[In der Ukraine] fielen dem Hunger schätzungsweise drei bis sieben Millionen Menschen zum Opfer."
50. s. Anm. 45, S. 112
© Wolfgang Martin, ins Netz gestellt im September 2025
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